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Oben ohne

Oben ohne

Titel: Oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Heeg
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den halben Samstag herum, aber eigentlich weiß ich, dass ich in eine Reha will – und zwar so schnell wie möglich.
    Am Nachmittag schaue ich mir nochmals die verschiedenen Internetportale der Kliniken an. Tino ist immer noch von der Einrichtung in der näheren Umgebung überzeugt. Da kann er mich unter der Woche locker mal besuchen. Das stimmt natürlich, und auch für mich gäbe es beispielsweise im Schwarzwald weiterhin die Möglichkeit zu radeln – und ohne Fahrrad gehe ich bestimmt nirgendwo hin. Trotzdem überzeugt mich das Ganze nicht. Irgendetwas passt nicht, ich weiß selbst nicht genau, warum. Ich suche also weiter. Ich stoße auf eine Klinik im Allgäu, das klingt ganz gut. Aber da gibt es nur zuckerfreies Essen und Frischkornzeug. O nein, das geht mal gleich gar nicht. Ich ernähre mich bereits gesund und habe Spaß am Essen. Der würde mir da sicher vergehen, wenn ich so enge Vorschriften hätte. In einer Klink am Bodensee sind Partner die ersten vier Wochen unerwünscht. Was denkt ihr denn, wie lange ich kommen will!? Noch glaube ich, dass das alles in zwei oder drei Wochen erledigt sein könnte. Nein, nein, das geht auch nicht. Schönau am Königssee – wo ist das? Bei Berchtesgaden, direkt am Watzmann, Oberbayern, in der Nähe von Salzburg. Das Konzept gefällt mir: Da steht auch »Umgang mit Krebserkrankungen«. So weit bin ich ja noch nicht, aber eben auch nicht mehr weit davon entfernt. Mal auf die Bahnverbindungen gucken: Ach du Schande, das ist ja am anderen Ende Deutschlands. Sieben Stunden mit einer schnellen Zugverbindung. Wartezeit auf ein Bett: drei bis vier Wochen. Das ist zu lange! Ich kann doch nicht hier herumsitzen und auf einen Platz warten, während ich in der Schule gebraucht werde. Aber Schönau wäre schon gut: Es gibt schöne Berge, es ist keine allzu kleine Klinik, es gibt neben der psychosomatischen noch andere Abteilungen, das Personal sieht auch nett aus. Ja, und es ist weit weg. Plötzlich wird mir klar, dass es genau das sein muss. Raus aus allem, und zwar so schnell wie möglich! Tino unterstützt mich immer so gut er kann, aber vielleicht sollte das gerade mal wegfallen. Nur ich. Vielleicht bekomme ich allein besser klar, was eigentlich das Problem ist. Instinktiv weiß ich, dass das die richtige Entscheidung sein wird. Jetzt ist mir klar, was ich will. Tino ist nicht gerade erfreut darüber, dass ich ans andere Ende von Deutschland möchte. Das kann ich gut verstehen, schließlich wird die Besucherei richtig aufwendig. Und das im Sommer, wenn er saisonal viele Aufträge hat. Trotzdem versteht er meine Argumente und findet es gut, dass ich ein Gefühl dafür habe, was ich brauche. Ich greife zum Telefonhörer und frage in der Klinik an, wie lange die Wartezeiten sind. Man gibt mir die Standardantwort: drei bis vier Wochen, nachdem der Antrag durch ist. Mist.
    Am Montagmorgen geht es nach dem Frühstück direkt zu meinem Hausarzt. Ich will ihm von meinem Entschluss berichten und ihn bitten, mir möglichst schnell einen Antrag zu schreiben. Es ist ein junger sympathischer Mann mit enormem Fachwissen, der sich immer sehr viel Zeit für seine Patienten nimmt. Nur der Schriftkram, das ist nicht gerade seine Stärke. Von daher weiß ich, dass es gar nicht so leicht sein wird, ihn zu schnellem Handeln zu bewegen. Um es möglichst einfach zu machen, habe ich alle wichtigen Infos dabei: die Adressen, an die der Antrag bei Krankenkasse und Beihilfe muss, und die Adresse der Klinik. Inzwischen bin ich hundert Prozent sicher, dass ich nach Schönau will. Da lasse ich nicht mehr mit mir verhandeln. Wenn ich mich bemühe, bekomme ich vielleicht auch früher einen Platz.
    Mein Hausarzt findet die Idee einer Kur sehr gut. Schon länger macht er sich Sorgen, weil ich seit einiger Zeit oft kränkle: hier eine Erkältung, da ein Magen-Darm-Infekt, dann zur Abwechslung eine Bänderdehnung und so weiter und so fort. Er kennt meine Geschichte und weiß, unter welchem Druck ich lange Jahre stand. Er fragt ausführlich nach, warum dieses Haus, und ob ich mir andere angeschaut hätte – aber ich lasse keinen Zweifel an meiner Entscheidung aufkommen. Ich habe auch nicht den Eindruck, als wolle er mich davon abbringen. Wahrscheinlich will er es einfach verstehen. Schließlich erklärt er sich bereit, einen Antrag zu stellen, und ich mache gleich mal Dampf: »Können Sie den Antrag bitte möglichst schnell abschicken?«
    »Frau Heeg, es gibt da doch sowieso Wartezeiten.«
    »Das weiß ich, aber

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