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Oben ohne

Oben ohne

Titel: Oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Heeg
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lassen das Thema wieder fallen und unterhalten uns über andere Dinge. Trotzdem setzt sich die Idee in meinem Kopf fest.

    Zu Hause erzähle ich Tino sofort von Katjas Vorschlag. Er sitzt im Büro und hackt auf seiner Tastatur herum. Jetzt ist gerade Hochsaison für freie Lektoren, denn das Herbstprogramm ist in der Mache. Tino hat einige Aufträge an Land gezogen, aber da ist schon noch Luft nach oben. Das Geld reicht irgendwie, aber gerade auch, weil unsere Wohnung so billig ist. »Die Fixkosten niedrig halten«, ist entsprechend unser momentanes Motto.
    Auch Tino ist überrascht von dem Gedanken.
    »Und was soll das für eine Kur sein?«
    »Keine Ahnung, ich kenne mich da nicht aus«, sage ich. »Ich merke nur einfach, dass es so nicht weitergeht. Vielleicht würde es mir helfen, in den Sommerferien eine Kur zu machen. Einen Urlaub haben wir ja sowieso nicht geplant.«
    Tino kann nicht weg, schließlich könnte jederzeit ein Auftraggeber anrufen. Aber der Gedanke einer Kur scheint ihm einzuleuchten: »Warum denn erst in den Sommerferien?«
    »Hey, du weißt genau, dass ich nächste Woche mit meinen Fünftklässlern ins Schullandheim muss«, sage ich wütend. »Außerdem kommen bald die Zeugnisse, dafür müssen die ganzen Noten gemacht werden, außerdem muss ich vorher noch etliche Klassenarbeiten schreiben. Ich kann jetzt nicht weg.«
    Muss, muss, muss. Das ist zurzeit der Refrain aller meiner Sätze.
    Die Diskussion ist damit zunächst beendet. Jetzt muss ich dringend an den Schreibtisch. Ich setze in der Küche Teewasser auf und fahre im Arbeitszimmer meinen Rechner hoch: Erst mal die Schulsachen in Ordnung bringen. Tino bearbeitet wieder seinen Laptop.
    Beim Sortieren meiner Unterrichtsmaterialien kreisen meine Gedanken aber wie von selbst weiter um diese neue Möglichkeit. Mir wird immer klarer, dass ich im Prinzip nur noch funktioniere. Ich weiß überhaupt nicht mehr, warum. Liegt es alles an dem fehlenden Gentestergebnis? Ist es das, was mich so fertigmacht? Das wäre in meinen Augen aber ziemlich übertrieben. Oder bin ich der klassische Fall von Lehrer-Burn-out? Gleich mal die Quote erfüllt, nach nur drei Jahren im Schuldienst? Klar, der Job ist anstrengend, die Zeit als Referendarin war aufreibend, immer unter dem Druck, gute Noten haben zu müssen, damit man anschließend eine der raren Stellen im Staatsdienst ergattern kann. Aber eigentlich macht mir die Schule richtig Spaß. Bis auf das vergangene halbe oder dreiviertel Jahr. Oder rede ich mir das nur ein? Bin ich in Wahrheit Lehrerin geworden, weil es der Beruf meiner Mutter war und ich da irgendetwas nachholen möchte? Ist es am Ende sogar die falsche Wahl gewesen? Habe ich gar keine »Lehrerpersönlichkeit«, die man aber dringend braucht, um die hohen Anforderungen bei der Arbeit vor einer Klasse mit über dreißig Kindern und Jugendlichen zu erfüllen? Dann wäre die ganze Mühe umsonst gewesen, vier Jahre Studium, anderthalb Jahre Referendariat für die Füße, bloß weil ich völlig unreflektiert so sein wollte wie meine tote Mutter!? Ach Quatsch, das kann nicht sein. Ich wollte schon immer etwas mit Kindern machen, das ist sicher, und das hat auch nichts mit Mama zu tun. Das fühlt sich auch immer noch stimmig an. Nur, was macht mich dann so fertig?
    Nach einer halben Stunde meint Tino plötzlich: »Du könntest in eine psychosomatische Reha.« Er schaut mich über den Rand seines Bildschirmes an. Offensichtlich hat er das gerade im Internet recherchiert. »Das klingt so, als wäre es das Richtige. Es gibt eine, die liegt nur eine Stunde von Freiburg entfernt irgendwo im Hochschwarzwald.«
    Ich stehe auf und schaue mir das an. Tino hat noch andere Kliniken gefunden, und wir klicken uns durch alle möglichen Homepages. »Wie läuft das ab, wie beantragt man so einen Klinikaufenthalt? Wie lange sind die Wartezeiten?«, frage ich.
    Tino hat sich schon schlaugemacht: »Es gibt Akutkliniken, da könntest du sofort hin. Die anderen haben Wartezeiten. Das geht dann ein paar Wochen, aber davor muss die Krankenkasse den Aufenthalt erst noch genehmigen.«
    Das klingt wieder nach viel Aufwand. Ich seufze.
    »Ich kann mir ja nach dem Aufenthalt im Schullandheim einen Termin bei unserem Hausarzt geben lassen. Jetzt muss ich aber dringend weiterarbeiten.«

    Beim Frühstück am nächsten Morgen kommen wir wieder darauf zu sprechen. Auch heute Morgen kommt mir die Kur-Idee als gute Sache vor. Tino findet es aber weiterhin unnötig, bis zu den Sommerferien

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