Oberst von Huhn bittet zu Tisch (German Edition)
»Fischer«. Der »Sockel des Sünders« ist also: ein Fischteller.
Zweitens:
Im wiederholt zitierten Cancale mit seinem Prachtstück von Speisekarte bot man unter den Fischgerichten »Straßendecke von Steinköhler« an, ein
pavé de lieu jaune
, wobei
pavé
einerseits Schinken, andererseits Straßendecke bedeutet und der
lieu jaune
ein Fisch namens Steinköhler ist, er entstammt der Familie der Dorsche.
Drittens:
Jetzt (wir sind immer noch in Cancale) wollen wir uns einfach dem Deutschen und dem Essen hingeben, nämlich bei »Faser(Netz) von Bar in sie wurde, von Kartoffeln in Olivenöl erdrückt, Saft im Rosmarin abgefragt« zum Beispiel. Was für eine unglaublich sanfte
cuisine
! Mit
Bar
ist der Barsch gemeint, ein Wolfsbarsch, der offensichtlich – sprachlich ist das nicht sehr klar – in einem aus Fasern bestehenden Netz gefangen wurde, um dann nicht etwa mit einem Knüppel erschlagen, sondern »von Kartoffeln in Olivenöl erdrückt« zu werden. Wir kennen eine Variante dieser sanften Tötungsart ja schon aus dem Schweinefleisch-Kapitel. Ist das nicht für einen Gourmet, als ersöffe er in bestem Chianti? Und dann wird »Saft im Rosmarin abgefragt«, also hat man nicht etwa den Rosmarin grob mitgekocht, sondern die in ihm enthaltenen Würzstoffe sehr vorsichtig und zart »abgefragt«. Welcher Koch geht heute mit solcher Behutsamkeit vor?
Viertens:
Noch ein weiteres Gericht aus dem Meer serviert man uns in Cancale: »Heiliger gerechter Jacques gebraten, Pfannkuchen von Brokkolien, Sprossen von Spinat und Benzin(Wesenheit) von Rübe«. Pfannkuchen von Brokkolien, ah!, wer hätte je von diesemLande Brokkolien gehört geschweige denn Pfannkuchen von dort gegessen? Und »Benzin(Wesenheit) von Rübe« – das hat gewiss damit zu tun, dass im Französischen eine
essence
serviert werden sollte, eine »Essenz« also. Aber im Deutschen ist die
essence
nun mal sowohl »Benzin« als auch eine Wesenheit als auch eine »Essenz«. Und mit derselben Zartheit, mit der vorhin noch ein Barsch erdrückt wurde, weist man uns hier darauf hin, dass aus Rüben kaum wirklich Benzin zu gewinnen ist, ja, dass wir schon bald fast gar kein Benzin mehr haben werden oder nur noch in quasi homöopathischen Dosen, dass wir also in naher Zukunft Benzin als etwas in ätherischster Weise Nichtvorhandenes betrachten müssen. Als eine Wesenheit.
Bisschen umständlich ausgedrückt das alles, aber doch sehr schön.
Fünftens:
Leserin S. ist viel in Spanien unterwegs, so viel, dass sie gar nicht mehr weiß, wo sie die Karte fand, die sie für mich fotografierte. Sie ist aber auch zu schön, es gibt zum Beispiel »Gebratenes Grosse Bohrungen«, ja, sogar »Essig-Grosse Bohrungen«.
Ich habe keine Ahnung, was eine solche Bohrung ist und wie man sie essen könnte, es handelt sich um ein Gericht mit Meerestieren, das ist klar, aber welche sind gemeint? Die Bohrung ist ein Nichts, ein Loch, wie soll man es verzehren? Bekommt man einen leeren Teller? Ist es eine Diätspeise? Weist vielleicht das Wort »Essig« auf eine Lösung dieser Fragen hin, denn im Meer wird ja nach Öl gebohrt, warum also nicht auch nach Essig?
Wer sich näher für dieses Thema interessiert, dem empfehle icheine Reise nach Slowenien, dort war Leserin S. in einem Sporthotel zu Besuch, auf dessen Restaurant-Karte »Spaghetti, Gnocchi, Bandnudel, Bohrgeräte« verzeichnet waren. Für größere Vorhaben sollte man indes ins
Holiday Inn Restaurant
in Fresno fahren, dort gibt es »Garnele mit 4 Tunnel-bohrwagen gedient mit unserer tangy Cocktailsoße«.
Sechstens:
»Kleine HaHachen« – dieses Gericht gebe es in einem Lissaboner Fischlokal, schreibt Herr M., es habe sich um gegrillte Gambas gehandelt. Weiß der Himmel, wie der Weg von den Gambas zu den kleinen HaHachen verlaufen ist, es ist auch egal. Ein kleines HaHachen zwischendurch kann im Leben nie schaden, ebenso wenig wie eine »Lachscheibe vom Grill auf Salzkartoffeln«, die es in Riva am Gardasee gibt, wie Lehrerin B. schreibt, die dort mit ihren Schülern auf Abiturfahrt war, oder »Bandnudeln mit Lachstreifen und Tomatensauce«, welche Frau F. aus Solingen auf Borkum fand.
Siebtens:
»Carpaccio vom Schwertfisch mit Geldstrafen Kräutern«, gefunden von Herrn G. aus Hamburg in einem der besten Restaurants Veronas, gleich bei der Arena. Natürlich fragte sich G. als Jurist sogleich, ob dieser Schwertfisch etwa ein Richtschwert trug. Man könnte ihn sich natürlich auch als Justitia vorstellen, mit einer Binde über den
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