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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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entlockt hatte. Was ist sie mir? Fürchte ich mich denn vor ihr? dachte er.
    »Sie sind faul!« antwortete sie mit kaum merklichem schelmischem Ausdruck, »ist das möglich? Ein träger Mann? Das verstehe ich nicht.«
    Was ist denn dabei unverständlich? dachte er, mir scheint, das ist einfach. – Ich sitze immer zu Hause, darum glaubt Andrej, daß ich ...
    »Aber Sie schreiben gewiß viel«, sagte sie, »und lesen. Haben Sie ...«
    Sie blickte ihn so forschend an.
    »Nein, ich hab's nicht gelesen!« entschlüpfte es ihm vor Angst, sie könnte ihn examinieren.
    »Was?« fragte sie lachend. Und er lachte auch ...
    »Ich dachte, Sie wollten mich über irgendeinen Roman fragen; ich lese derlei nicht.«
    »Sie haben es nicht erraten; ich wollte über Reisebeschreibungen fragen.«
    Er blickte sie durchdringend an; ihr ganzes Gesicht außer den Lippen lachte.
    Oh, wie sie ist ...! Man muß mit ihr vorsichtig sein ..., dachte Oblomow.
    »Was lesen Sie denn?« fragte sie neugierig.
    »Ich liebe wirklich die Reisebeschreibungen ...«
    »Über Afrika?« fragte sie leise und schelmisch.
    Er errötete, da er nicht ohne Grund vermutete, daß sie nicht nur darüber, was er las, sondern auch darüber, wie er es tat, unterrichtet war.
    »Sind Sie musikalisch?« fragte sie, um ihn von seiner Verlegenheit zu befreien.
    Jetzt kam Stolz heran.
    »Ilja! Ich habe Oljga Sjergejewna gesagt, daß du leidenschaftlich Musik liebst und habe sie gebeten, etwas zu singen ... Casta diva ... «
    »Warum erzählst du solche Sachen von mir!« antwortete Oblomow, »ich liebe Musik gar nicht leidenschaftlich ...«
    »Was sagen Sie dazu?« unterbrach ihn Stolz, »er scheint beleidigt zu sein! Ich stelle ihn als einen anständigen Menschen hin, und er beeilt sich, die Leute diesbezüglich gleich zu enttäuschen!«
    »Ich lehne nur die Rolle eines Amateurs ab, das ist eine zweifelhafte und auch schwierige Rolle.«
    »Welche Musik gefällt Ihnen denn am meisten?« fragte Oljga.
    »Diese Frage ist schwer zu beantworten: jede beliebige! Manchmal höre ich voll Vergnügen von einem verstimmten Leierkasten irgendeine Melodie, die sich in meinem Gedächtnisse festgesetzt hat, ein anderes Mal gehe ich in der Mitte irgendeiner Oper fort; oder Meyerbeer erschüttert mich, manchmal auch ein einfaches Schifferlied: je nachdem ich aufgelegt bin! Manchmal halte ich mir auch, wenn ich Mozart höre, die Ohren zu ...«
    »Sie lieben also wahrhaft Musik!«
    »Singen Sie doch etwas, Oljga Sjergejewna«, bat Stolz.
    »Und wenn Herr Oblomow jetzt so aufgelegt ist, daß er sich die Ohren zuhalten wird?« fragte sie, sich an ihn wendend.
    »Jetzt müßte ich irgendein Kompliment sagen«, antwortete Oblomow. »Ich kann das aber nicht, und wenn ich's auch könnte, würde ich es nicht wagen ...«
    »Warum denn nicht?«
    »Und wenn Sie schlecht singen?« fragte er naiv, »es wäre mir dann peinlich ...«
    »Wie gestern mit der Bäckerei ...« entschlüpfte es ihr plötzlich, und sie errötete selbst und hätte viel darum gegeben, es nicht gesagt zu haben. »Verzeihen Sie ...!« sagte sie.
    Oblomow hatte das nicht erwartet und wurde verwirrt. »Das ist boshafter Verrat!« sagte er halblaut.
    »Nein, vielleicht nur eine kleine Rache, und, bei Gott, keine beabsichtigte, weil Sie für mich nicht einmal ein Kompliment finden konnten.«
    »Vielleicht finde ich eins, nachdem ich Ihnen zugehört habe.«
    »Wollen Sie, daß ich singe?« fragte sie.
    »Nein, er will das«, antwortete Oblomow, auf Stolz hinweisend.
    »Und Sie?«
    Oblomow schüttelte verneinend den Kopf.
    »Ich kann nicht etwas wollen, was ich nicht kenne.«
    »Du bist grob, Ilja!« bemerkte Stolz. »Das kommt davon, wenn man zu Hause liegt und die Strümpfe ...«
    »Ich bitte dich, Andrej«, unterbrach Oblomow rasch, um ihn nicht ausreden zu lassen, »es würde mich nichts kosten zu sagen: ›Ach, es wird mich sehr freuen, ich werde glücklich sein, Sie singen gewiß ausgezeichnet ...‹« setzte er fort, sich an Oljga wendend, »›das wird mir einen Genuß bereiten‹ und so weiter. Ist das aber notwendig?«
    »Sie könnten aber trotzdem wünschen, ich möchte singen ... Wenigstens aus Neugierde!«
    »Ich wage es nicht, Sie sind keine Schauspielerin ...«
    »Gut, ich werde Ihnen vorsingen«, sagte sie zu Stolz.
    »Ilja, bereite ein Kompliment vor.«
    Unterdessen war der Abend angebrochen. Man zündete die Lampe an, die wie ein Mond durch das mit Efeu umwundene Gitterwerk schimmerte. Das Dunkel verbarg die Umrisse von

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