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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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Oljgas Gesicht und von ihrer Gestalt und warf gleichsam einen Florschleier über sie; ihr Gesicht war im Schatten, man hörte nur ihre weiche, aber starke Stimme, mit dem nervösen Zittern des Gefühls. Sie sang viele Arien und Lieder, nach den Angaben von Stolz; in den einen drückte sich Leiden, mit der unklaren Vorahnung von Glück, in den andern Freude, mit einem Keim von Traurigkeit, aus. Die Worte, die Töne, diese reine, starke Mädchenstimme machte das Herz schlagen, die Nerven beben, die Augen funkeln und von Tränen überströmen. Man wollte in einem und demselben Augenblick sterben, nach diesen Tönen nicht mehr erwachen, und zugleich dürstete das Herz nach Leben ... Oblomow flammte auf, ermattete, hielt mit Mühe die Tränen zurück und erstickte mit noch größerer Mühe den freudigen Schrei, der sich von seiner Seele loslösen wollte. Er hatte schon lange nicht mehr eine solche Frische und Kraft in sich gefühlt, die aus der Tiefe seiner Seele aufzusteigen schienen und zu einer Heldentat bereit waren. Er würde in diesem Augenblick sogar ins Ausland reisen, wenn er sich nur hinsetzen und abzufahren brauchte.
    Zum Schlusse sang sie Casta diva. Das Entzücken, die wie Blitze im Kopfe aufleuchtenden Gedanken, das Beben, das wie Nadeln durch seinen Körper rieselte – das alles hatte Oblomow geradezu vernichtet; er war am Ende seiner Kräfte.
    »Sind Sie heute mit mir zufrieden?« wandte sich Oljga plötzlich an Stolz, nachdem sie zu singen aufgehört hatte.
    »Fragen Sie Oblomow, was er wohl sagen wird?« antwortete Stolz.
    »Ach!« rang es sich aus seiner Brust los. Er faßte Oljga bei der Hand, ließ sie aber gleich wieder los und wurde sehr verlegen.
    »Verzeihen Sie ...« murmelte er.
    »Hören Sie?« sagte Stolz zu ihr. »Sag einmal aufrichtig, Ilja, wie lange ist dir das nicht mehr passiert?«
    »Das hätte heute früh passieren können, wenn ein verstimmter Leierkasten vor dem Fenster gespielt hätte ...« bemerkte Oljga gütig und so sanft, daß sie den Sarkasmus des Stachels beraubte.
    Er blickte sie vorwurfsvoll an.
    »Er hat noch immer Doppelfenster; er hört nicht, was draußen vorgeht«, fügte Stolz hinzu.
    Oblomow wandte jetzt seinen vorwurfsvollen Blick Stolz zu.
    Stolz ergriff Oljgas Hand.
    »Ich weiß nicht, aus welchem Grunde Sie heute so gesungen haben, wie noch nie, Oljga Sjergejewna, wenigstens habe ich Sie schon lange nicht so singen gehört. Das ist mein Kompliment!« sagte er, ihr jeden einzelnen Finger küssend.
    Stolz verabschiedete sich. Oblomow wollte auch aufbrechen, aber Stolz und Oljga hielten ihn zurück.
    »Ich habe noch zu tun«, bemerkte Stolz, »und du willst ja nur deswegen nach Hause fahren, um liegen zu können ... es ist noch früh ...«
    »Andrej, Andrej!« sagte Oblomow mit flehender Stimme. »Nein, ich kann heute nicht dableiben, ich gehe!« fügte er hinzu und ging.
    Er schlief die ganze Nacht nicht. Traurig und sinnend ging er im Zimmer auf und ab; beim Morgengrauen verließ er das Haus, ging an die Newa und durch die Straßen, und Gott weiß, was er dabei fühlte und woran er dachte ...
    Nach drei Tagen war er wieder dort, und des Abends, als die übrigen Gäste sich an die Kartentische setzten, befand er sich mit Oljga zu zweit am Klavier. Die Tante hatte Kopfschmerzen, sie saß mit dem Riechfläschchen in ihrem Zimmer.
    »Ich werde Ihnen die Sammlung von Zeichnungen zeigen, die Andrej Iwanowitsch mir aus Odessa mitgebracht hat«, sagte Oljga. »Hat er sie Ihnen nicht gezeigt?«
    »Mir scheint, Sie bemühen sich, die Pflichten der Hausfrau zu erfüllen und mich zu unterhalten?« fragte Oblomow. »Das ist ganz überflüssig.«
    »Warum ist es denn überflüssig? Ich will, daß Sie sich nicht langweilen, daß Sie sich hier wie zu Hause fühlen, daß es Ihnen leicht, frei und behaglich zumute ist, damit Sie nicht fortgehen ... um zu liegen.«
    Sie ist ein boshaftes, spöttisches Geschöpf! dachte er, unwillkürlich jede ihrer Bewegungen bewundernd.
    »Sie wollen, daß es mir leicht und frei zumute sei und daß ich mich nicht langweile?« wiederholte er.
    »Ja«, antwortete sie, ihn wie gestern, aber mit einem noch erhöhteren Ausdruck der Neugierde und Güte anblickend.
    »Dann dürfen Sie mich erstens nicht so anblicken wie jetzt und neulich ...«
    Die Neugierde in ihren Augen verdoppelte sich.
    »Ja, gerade bei diesem Blick wird es mir sehr unbehaglich ... Wo ist mein Hut?«
    »Warum wird es Ihnen denn unbehaglich?« fragte sie sanft, und ihr Blick verlor

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