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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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kennen, unfehlbar mitlachen mußte. Aber Stolz machte sie nicht nur lachen, nach einer halben Stunde hörte sie ihm neugierig zu und richtete dann ihre Augen mit verdoppelter Neugier auf Oblomow, der sich vor diesen Blicken am liebsten unter die Erde versteckt hätte.
    Was sprechen sie über mich? dachte er, sie unruhig anschielend. Er wollte schon fortgehen, als Oljgas Tante ihn an den Tisch heranrief und ihm den Platz neben sich anwies, wo er dem Kreuzfeuer der Blicke aller Anwesenden ausgesetzt war. Er wandte sich ängstlich nach Stolz um – doch der war nicht mehr da, blickte Oljga an und begegnete ihren auf ihn gerichteten, neugierigen Augen. Sie schaut mich noch immer an! dachte er, verlegen seine Kleider betrachtend. Er wischte sich sogar das Gesicht mit dem Taschentuche ab, da er glaubte, er hätte sich die Nase verschmiert, betastete seine Krawatte, ob sie nicht aufgegangen sei, das geschah ihm manchmal; nein, alles schien ganz in Ordnung zu sein, und sie schaut noch immer! Doch jetzt reichte ihm der Diener eine Tasse Tee und eine Platte mit Bäckerei. Er wollte seine Verlegenheit unterdrücken und ungeniert erscheinen und nahm dabei einen solchen Haufen Zwieback, Biskuits und Kringel, daß das neben ihm sitzende kleine Mädchen auflachte. Die übrigen Anwesenden blickten den Haufen neugierig an. Mein Gott, auch sie sieht her! dachte Oblomow, was fange ich mit diesem Haufen an? Er sah, ohne hinzublicken, daß Oljga sich von ihrem Platz erhoben hatte und in eine andere Ecke trat. Ihm wurde leichter ums Herz. Das kleine Mädchen blickte ihn gespannt an und wartete, was er mit den Bäckereien tun würde. Ich werde sie geschwind aufessen, dachte er und machte sich über die Biskuits her; zum Glück zerschmolzen sie ihm förmlich im Mund. Es blieben nur zwei Stücke Zwieback übrig; er atmete frei auf und entschloß sich hinzuschauen, wo Oljga war. Sie stand neben einer Büste, sich auf das Piedestal stützend, und beobachtete ihn. Sie war wohl deswegen aus ihrer Ecke fortgegangen, um ihn ungestörter anblicken zu können; sie hatte den Vorfall mit den Bäckereien bemerkt. Beim Souper saß sie am andern Tischende, unterhielt sich und schien sich gar nicht mit ihm zu beschäftigen. Sowie sich Oblomow aber ängstlich nach ihr umwandte, in der Hoffnung, sie sehe ihn nicht an, begegnete er ihrem neugierigen, aber zugleich gütigen Blick ...
    Nach dem Souper verabschiedete sich Oblomow eilig von der Tante; sie lud ihn für den nächsten Tag zum Mittagessen ein und bat, die Einladung auch Stolz zu übergeben. Ilja Iljitsch verneigte sich und schritt, ohne die Augen zu heben, durch den Saal. Am Klavier stand ein Wandschirm, und daneben befand sich die Tür. Er blickte auf, am Klavier saß Oljga und blickte ihn mit großer Neugierde an. Ihm schien, daß sie lächelte.
    Andrej hat gewiß erzählt, daß ich gestern verschiedene Strümpfe anhatte und das Hemd verkehrt angezogen habe! kam er bei sich überein und fuhr, durch die Voraussetzung und noch mehr durch die Einladung zum Mittagessen, die er mit einer Verbeugung beantwortet, also angenommen hatte, verstimmt nach Hause.
    Von diesem Augenblicke an dachte Oblomow unausgesetzt an Oljgas beharrlichen Blick. Vergeblich streckte er sich seiner Größe nach auf dem Rücken aus, vergeblich nahm er die trägsten und bequemsten Stellungen ein – er schlief nicht ein. Sein Schlafrock widerte ihn an, Sachar erschien dumm und unerträglich, und der Staub und das Spinngewebe bedrückten ihn. Er ließ ein paar schlechte Bilder hinaustragen, die ihm irgendein Gönner armer Künstler aufgedrängt hatte, brachte selbst die Jalousie in Ordnung, die lange nicht mehr aufgezogen worden war, rief Anissja und befahl ihr, die Fenster abzuwischen, nahm das Spinngewebe ab, legte sich dann auf die Seite und dachte eine Stunde lang an Oljga. Er befaßte sich zuerst eingehend mit ihrem Äußern und rief immer wieder in seiner Erinnerung ihr Bild hervor. Oljga war, streng genommen, keine Schönheit, das heißt, sie war nicht blendend weiß, hatte nicht das lebhafte Kolorit der Wangen und Lippen, und ihre Augen strahlten kein inneres Feuer aus; sie hatte weder einen Korallenmund noch Perlenzähne noch winzige Hände wie ein fünfjähriges Kind, mit Fingern wie Weintrauben. Hätte man sie aber in eine Statue verwandeln können, so wäre diese voll Grazie und Harmonie gewesen. Ihrer ziemlich großen Gestalt entsprach streng die Größe des Kopfes und diesem das Oval und die Linien des Gesichtes; das

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