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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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den Ausdruck von Neugierde. Er wurde nur gütig und freundlich.
    »Ich weiß nicht; aber mir scheint, daß Sie mir mit diesem Blick alles das entlocken, was ich die anderen und besonders Sie nicht wissen lassen will ...«
    »Warum denn? Sie sind Andrej Iwanowitschs Freund, und er ist mein Freund, folglich ...«
    »Folglich ist kein Grund vorhanden, daß Sie alles erfahren, was Andrej Iwanowitsch von mir weiß«, beendete er ihren Satz.
    »Es ist kein Grund vorhanden, wohl aber eine Möglichkeit ...«
    »Dank der Aufrichtigkeit meines Freundes; er hat mir damit einen schlechten Dienst erwiesen!«
    »Haben Sie denn Geheimnisse?« fragte sie. »Vielleicht haben Sie etwas verbrochen«, fügte sie hinzu, indem sie lachend von ihm fortrückte.
    »Vielleicht!« antwortete er seufzend.
    »Ja, das ist ein großes Verbrechen«, sagte sie schüchtern und leise, »verschiedene Strümpfe anzuziehen ...«
    Oblomow griff nach seinem Hut.
    »Ich halte es nicht länger aus!« sagte er. »Und Sie wollen, ich soll mich behaglich fühlen? Ich werde Andrej nicht mehr lieben ... Er hat Ihnen auch das erzählt?«
    »Er hat mich heute dadurch so zum Lachen gebracht!« fügte Oljga hinzu. »Er macht mich immer lachen. Verzeihen Sie, ich werde nicht mehr so sprechen, und ich werde mich bestreben, Sie anders anzublicken ...«
    Sie machte eine ernsthaft-schelmische Miene.
    »Das alles ist aber noch erstens«, fuhr sie fort, »nun, jetzt schaue ich Sie ja nicht mehr wie gestern an, Sie müssen sich also frei und behaglich fühlen. Jetzt kommt das ›Zweitens‹, was muß ich also noch tun, damit Sie sich nicht langweilen?«
    Er blickte ihr in die graublauen, freundlichen Augen.
    »Jetzt sehen Sie selbst mich so merkwürdig an«, sagte sie.
    Er blickte sie tatsächlich gleichsam nicht mit den Augen, sondern wie ein Magnetiseur mit seinem ganzen Willen an; er tat es aber unwillkürlich, ohne die Kraft zu haben, nicht hinzublicken. Mein Gott, wie hübsch sie ist! Daß es so etwas auf der Welt gibt! dachte er, sie beinahe mit erschrockenen Augen betrachtend. Dieses Weiß, diese Augen, wo es dunkel wie in einem Abgrund ist und wo zugleich etwas leuchtet, gewiß die Seele! Das Lächeln kann wie ein Buch gelesen werden, dabei sieht man auch diese Zähne, und dann dieser ganze Kopf ... wie zart ruht er auf den Schultern, er scheint sich wie eine Blume zu wiegen und zu duften ... Ja, ich entlocke ihr etwas, dachte er, etwas von ihr geht in mich über. Hier am Herzen beginnt es zu wogen und zu stürmen ... Ich fühle hier etwas Neues, das, wie mir scheint, nicht da war ... Mein Gott, was für ein Glück ist es, sie anzuschauen! Man vermag kaum zu atmen! ...
    Diese Gedanken flogen wie ein Wirbel dahin, und er blickte sie immer an, wie man in eine endlose Ferne, in einen bodenlosen Abgrund blickt, voll Selbstvergessen und Wonne.
    »Aber so hören Sie doch auf, Herr Oblomow, wie sehen Sie selbst mich jetzt an!« sagte sie, den Kopf verlegen abwendend; doch die Neugier gewann die Oberhand, und sie riß ihren Blick von seinem Gesicht nicht los.
    Er hörte nichts.
    Er blickte sie wirklich ununterbrochen an und verstand ihre Worte nicht; er untersuchte schweigend, was in ihm vorging; er berührte seinen Kopf – auch dort war etwas in Aufruhr und stürmte im Wirbel dahin. Er hatte keine Zeit, die Gedanken aufzufangen; sie flatterten wie ein Vogelzug vorüber, und im Herzen, an der linken Seite, schien ihm etwas wehzutun.
    »Schauen Sie mich doch nicht so seltsam an«, sagte sie, »auch ich fühle mich unbehaglich ... Mir scheint, auch Sie wollen meiner Seele etwas entlocken ...«
    »Was kann ich Ihnen entlocken?« fragte er mechanisch.
    »Auch ich habe angefangene und nicht beendete Pläne«, antwortete sie.
    Er kam bei dieser Andeutung auf seinen unvollendeten Plan zur Besinnung.
    »Seltsam!« bemerkte er. »Sie sind boshaft, Sie haben aber einen gütigen Blick. Man sagt mit Recht, daß man den Frauen nicht glauben darf; sie lügen absichtlich mit der Zunge und unabsichtlich mit dem Blick, dem Lächeln, dem Erröten, sogar mit den Ohnmachten ...«
    Sie ließ diesen Eindruck sich nicht verstärken, nahm ihm leise den Hut fort und setzte sich auf den Sessel hin.
    »Nein, nein, ich tu's nicht mehr!« sagte sie lebhaft. »Ach! verzeihen Sie, ich habe eine solche unausstehliche Zunge! Aber das ist bei Gott keine Spöttelei!« sagte sie fast singend, und in dem Satze zitterte ein wahrhaftes Gefühl.
    Oblomow beruhigte sich.
    »Dieser Andrej!« sagte er

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