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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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Unverständliches sagen wollte. »Das sind die Nerven!« flüsterte sie, zusammenfahrend, aber mit einem Lächeln durch Tränen, mit Anstrengung die Angst bezwingend und den Kampf der noch nicht gestählten Nerven mit den erwachenden Kräften erduldend. Sie erhob sich vom Bett, trank ein Glas Wasser, öffnete das Fenster, fächelte sich mit dem Taschentuch ins Gesicht und er wachte aus den Träumen, die sie schlafend oder wachend übermannten.
    Und das erste, was Oblomow beim Erwachen vor sich sah, war Oljgas Bild, mit dem Fliederzweig in der Hand. Er schlief mit dem Gedanken an sie ein, und wenn er spazierenging oder las, war sie neben ihm. Er führte mit ihr im Geiste bei Tag und bei Nacht ein endloses Gespräch. Er fügte der »Geschichte der Entdeckungen und Erfindungen« immer neue Entdeckungen in Oljgas Äußerem oder in ihrem Charakter hinzu und erfand Gelegenheiten, ihr unverhofft zu begegnen, ihr ein Buch zu schicken oder sie zu überraschen. Er setzte das Gespräch, das er mit ihr geführt hatte, zu Hause fort, so daß, wenn Sachar hereinkam, er ihm manchmal in sehr sanftem, weichem Ton, indem er im Geiste mit Oljga sprach, sagte: »Du kahlköpfiger Teufel hast mir neulich wieder ungeputzte Stiefel gegeben, gib acht, ich werde mit dir schon fertig werden ...«
    Doch seine Sorglosigkeit hatte ihn von dem Moment an verlassen, als sie ihm zum erstenmal sang. Er lebte nicht mehr wie früher, da es ihm ganz gleichgültig war, ob er auf dem Rücken lag und auf die Wand blickte, ob Alexejew bei ihm oder er selbst bei Gerassimowitsch saß, in jenen Tagen, da er niemand und nichts, weder bei Tag, noch bei Nacht erwartete. Jetzt nahm bei Tag und Nacht, morgens und abends, jede Stunde ihre eigene Gestalt an und war entweder mit Regenbogenglanz erfüllt oder farblos und düster, je nachdem, ob diese Stunde mit Oljgas Anwesenheit erfüllt wurde oder ohne sie verstrich und folglich langweilig und bleich war. Das alles spiegelte sich in seinem Wesen wieder; in seinem Kopf befand sich ein ganzes Netz von täglichen und stündlichen Vermutungen, Kombinationen, Ahnungen, Qualen der Ungewißheit, und das alles wurde durch die Fragen hervorgerufen: Ob er sie sehen werde oder nicht? Was sie sagen und tun würde? Wie würde sie ihn anblicken, welchen Auftrag würde sie ihm geben, was würde sie ihn fragen, würde sie zufrieden sein oder nicht? Alle diese Gedanken bildeten jetzt die Hauptfrage seines Lebens. Ach, wenn man nur das Berauschende der Liebe ohne diese Unruhe empfinden könnte! träumte er. Nein, das Leben macht sich fühlbar, man mag hingehen, wohin man will, es sengt mich förmlich! Wieviel neue Bewegung hat sich plötzlich jetzt hereingedrängt, wieviel Beschäftigungen! Die Liebe ist eine sehr schwere Schule des Lebens! Er hatte schon ein paar Bücher gelesen; Oljga bat ihn, ihr den Inhalt zu erzählen und lauschte mit unbeschreiblicher Geduld seinem Erzählen. Er schrieb ein paar Briefe ins Dorf, setzte den Dorfschulzen ab und trat durch Vermittlung von Stolz mit einem der Nachbarn in Verbindung. Er wäre sogar ins Dorf gefahren, wenn er es für möglich gehalten hätte, Oljga zu verlassen. Er aß abends nicht und wußte schon seit zwei Wochen nicht mehr, was es hieß, bei Tage zu schlafen. In zwei, drei Wochen waren sie in der ganzen Umgegend von Petersburg gewesen. Die Tante mit Oljga, der Baron und er erschienen auf den Kurkonzerten und den Festen. Sie sprachen davon, nach Finnland zum Imatrafall zu fahren. Was Oblomow betraf, würde er den Park niemals verlassen haben, aber Oljga fiel immer etwas anderes ein, und sowie er auf die Aufforderung, eine Fahrt zu unternehmen, mit der Antwort zögerte, wurde der Ausflug sicher ausgeführt. Und dann nahm Oljgas Necken kein Ende. Es gab fünf Werst in der Runde keinen einzigen Hügel, den er nicht schon ein paarmal bestiegen hätte.
    Unterdessen wuchs ihre Sympathie, entwickelte sich und äußerte sich nach ihren unabänderlichen Gesetzen. Oljga blühte zugleich mit ihrem Gefühl auf. In ihren Augen waren mehr Strahlen, in ihren Bewegungen mehr Grazie; ihre Brust hatte sich so üppig entwickelt und wogte so rhythmisch. »Du bist auf dem Lande hübscher geworden, Oljga«, sagte ihr die Tante; im Lächeln des Barons drückte sich dasselbe Kompliment aus. Oljga legte errötend ihren Kopf auf die Schultern der Tante; und diese streichelte ihr freundlich die Wange.
    »Oljga, Oljga!« rief Oblomow einmal vorsichtig und fast flüsternd am Fuße des Berges, wo Oljga mit ihm

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