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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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sah, daß nichts ihre Brust bedrückte und daß es darin ebenso schön war wie in der Natur an diesem stillen Morgen.
    »Was geht mit mir vor?« wandte sich Oblomow sinnend gleichsam an sich selbst.
    »Soll ich's sagen?«
    »Sagen Sie's!«
    »Sie sind ... verliebt.«
    »Ja, natürlich!« bestätigte er, indem er ihr die Hand von der Arbeit fortriß, sie aber nicht küßte, sondern die Finger nur fest an seine Lippen preßte und lange so zu halten beabsichtigte.
    Sie versuchte, sie leise fortzuziehen, doch er hielt sie fest.
    »Lassen Sie mich los, es ist genug!« sagte sie.
    »Und Sie?« fragte er. »Sind Sie nicht verliebt ...«
    »Verliebt – nein ... ich kenne das nicht und fürchte es; ich liebe Sie!« sagte sie und blickte ihn lange und sinnend an, als ob sie auch sich prüfte, ob sie ihn tatsächlich liebe.
    »Lie...ben!« sprach Oblomow. »Aber lieben kann man ja die Mutter, den Vater, die Kinderfrau, sogar ein Hündchen; das alles deckt sich mit dem gemeinschaftlichen Sammelnamen lieben, wie mit einem alten ...«
    »Schlafrock?« sagte sie lachend. »Apropos, wo ist Ihr Schlafrock?«
    »Was für ein Schlafrock? Ich habe gar keinen gehabt.«
    Sie blickte ihn mit einem vorwurfsvollen Lächeln an.
    »Sie meinen den alten Schlafrock!« sagte er. »Ich warte; meine Seele ist vor Ungeduld zu hören erstarrt, wie aus Ihrem Herzen das Gefühl aufwallen wird, wie Sie dieses Aufwallen benennen werden, und Sie ... Gott sei mit Ihnen, Oljga! Ja, ich bin in Sie verliebt, und sage, daß es ohne das keine eigentliche Liebe gibt; man verliebt sich weder in den Vater, noch in die Mutter, noch in die Kinderfrau, sondern man liebt sie ...«
    »Ich weiß nicht«, wiederholte sie, fast flüsternd, sich wieder in sich selbst vertiefend, und suchte zu erfassen, was in ihr vorging. »Ich weiß nicht, ob ich in Sie verliebt bin; wenn es nicht der Fall ist, dann ist vielleicht der richtige Augenblick noch nicht gekommen; ich weiß nur das eine, daß ich weder den Vater, noch die Mutter, noch die Kinderfrau so geliebt habe ...«
    »Was ist denn dabei für ein Unterschied? Fühlen Sie etwas Besonderes?« fragte er beharrlich.
    »Wollen Sie das wissen?« fragte sie schelmisch.
    »Ja, ja, ja! Haben Sie denn gar kein Bedürfnis, sich auszusprechen?«
    »Und warum wollen Sie es wissen?«
    »Um jeden Augenblick davon zu leben: heute, die ganze Nacht und morgen, bis ich Sie wiedersehe ... Ich lebe nur davon ...«
    »Sehen Sie, Sie müssen den Vorrat Ihrer Zärtlichkeit jeden Tag erneuern; das ist der Unterschied zwischen einem Verliebten und einem Liebenden. Ich ...«
    »Sie?« fragte er ungeduldig.
    »Ich liebe anders«, sagte sie, sich mit dem Rücken an die Bank anlehnend und mit den Augen den treibenden Wolken folgend. »Ich langweile mich ohne Sie; es tut mir leid, Sie für kurze Zeit zu verlassen, und es schmerzt mich, wenn es für lange Zeit ist. Ich habe ein für allemal erfahren und gesehen, daß Sie mich lieben. Ich kann nicht mehr und anders lieben.«
    Das klingt wie Cordelias Worte! dachte Oblomow, Oljga voll Leidenschaft anblickend.
    »Wenn Sie sterben würden«, sprach sie nach einer Weile weiter, »würde ich ewig nach Ihnen Trauer tragen und würde nie im Leben wieder lächeln. Wenn Sie eine andere lieben, werde ich nicht murren und Ihnen nicht fluchen, sondern werde Ihnen im stillen Glück wünschen ... Für mich ist die Liebe dasselbe wie ... das Leben, und das Leben ...«
    Sie suchte nach einem Ausdruck.
    »Was ist denn das Leben Ihrer Ansicht nach?«
    »Das Leben ist eine Pflicht, folglich ist auch die Liebe eine Pflicht; mir ist, als hätte Gott Sie mir geschickt«, sprach sie zu Ende, indem sie die Augen zum Himmel erhob, »und mir zu lieben befohlen.«
    »Cordelia!« sagte Oblomow laut. »Und sie ist einundzwanzig Jahre alt! Also das ist Ihrer Ansicht nach die Liebe!« fügte er nachdenklich hinzu.
    »Ja, und ich glaube genügend Kraft zu haben, um das ganze Leben lang zu lieben ... Eines ist ohne das andere unmöglich!«
    Wer hat ihr denn das eingeflößt? dachte Oblomow, sie beinahe mit Andacht anblickend. Sie hat doch diesen einfachen und klaren Begriff vom Leben nicht auf dem Wege der Erfahrung, nicht durch Qualm, Flammen und Rauch erworben.
    »Und gibt es lebendige Frauen, gibt es Leidenschaften?« fragte er.
    »Ich weiß nicht«, antwortete sie, »ich habe sie nicht empfunden und verstehe nicht, was das ist.«
    »Oh, wie ich es jetzt verstehe!«
    »Vielleicht werde auch ich das mit der Zeit empfinden, vielleicht

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