Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
Vom Netzwerk:
Stadt fuhr, und ging dann in den Park.
    Aber wie klar Oljgas Verstand auch sein mochte, wie bewußt sie alles um sich herum auch anblickte, wie frisch und gesund sie auch war, begannen bei ihr doch neue, krankhafte Symptome zu erscheinen. Manchmal erfaßte sie eine Unruhe, die ihr Gedanken machte, und die sie sich nicht zu erklären wußte. Manchmal, wenn sie um die heiße Mittagsstunde an Oblomows Arm hinschritt, stützte sie sich träge auf seine Schulter und ging mechanisch und beharrlich schweigend in einer gewissen Ermattung weiter. Ihre Frische verschwand; ihr Blick wurde müde und verlor seine Lebhaftigkeit, er wurde reglos, richtete sich auf irgendeinen Punkt, und sie war zu träge, ihn einem anderen Gegenstand zuzuwenden. Etwas lastete auf ihr, etwas beengte ihr die Brust und beunruhigte sie. Sie nahm ihre Mantille und ihr Tuch von den Schultern ab, doch auch das half nicht – das Bedrückende und Beengende ließ nicht nach. Sie hätte sich am liebsten unter einen Baum gelegt und so ganze Stunden verbracht. Oblomow wurde ganz hilflos und fächelte ihr mit einem Zweig das Gesicht, doch sie wies seine Bemühungen mit einem ungeduldigen Zeichen von sich und quälte sich weiter. Dann seufzte sie plötzlich auf, blickte wieder bewußt um sich, sah ihn an, drückte ihm fest die Hand, lächelte, erlangte wieder ihre Frische und ihr Lachen und beherrschte sich wieder.
    Eines Abends verfiel sie in einen besonders unruhigen Zustand, in einen Somnambulismus der Liebe, und erschien Oblomow in einer neuen Beleuchtung. Es war heiß und schwül; aus dem Wald tönte das dumpfe Rauschen des warmen Windes herüber; der Himmel bedeckte sich mit dunklen Wolken. Es wurde immer dunkler und dunkler. »Es wird regnen,« sagte der Baron und fuhr nach Hause. Die Tante zog sich in ihr Zimmer zurück. Oljga spielte lange, in Gedanken versunken, Klavier, hörte aber dann auf.
    »Ich kann nicht, meine Finger zittern, mir ist es so schwül,« sagte sie zu Oblomow. »Wollen wir in den Garten gehen.«
    Sie schritten lange schweigend durch die Alleen, einander bei der Hand haltend. Ihre Hände waren feucht und weich. Sie traten in den Park. Die Bäume und Sträucher bildeten eine einzige düstere Masse; man konnte in einer Entfernung von zwei Schritten nichts unterscheiden; nur die Wege schlängelten sich als weiße Streifen hin. Oljga blickte starr ins Dunkel und schmiegte sich an Oblomow. Sie irrten schweigend herum. »Ich fürchte mich!« sagte sie plötzlich erzitternd, als sie sich fast tastend durch die schmale Allee, zwischen zwei schwarzen, undurchdringlichen Baumwänden fortbewegten. »Wovor denn?« fragte er. »Fürchte dich nicht, Oljga, ich bin bei dir.« – »Ich fürchte mich auch vor dir!« flüsterte sie, »aber es ist eine so angenehme Angst! Das Herz stockt mir. Gib mir die Hand und fühle, wie es klopft.« Und dabei fuhr sie zusammen und blickte sich um. »Siehst du, siehst du?« flüsterte sie zitternd und packte ihn mit beiden Händen fest bei der Schulter, »siehst du nicht dort im Dunkel jemand?« Sie schmiegte sich fester an ihn. »Es ist niemand da ...« sagte er; doch auch ihm lief eine Gänsehaut über den Rücken. »Decke mir schnell mit irgend etwas die Augen zu ... noch fester!« flüsterte sie ... »So, jetzt ist es besser ... Das sind nur die Nerven,« fügte sie aufgeregt hinzu. »Jetzt wieder! Schau, wer ist das? Setzen wir uns irgendwo auf eine Bank hin ...« Er fand tastend eine Bank und setzte sie hin. »Gehen wir nach Hause, Oljga,« redete er ihr zu, »du bist krank.« Sie legte den Kopf auf seine Schulter. »Nein, hier ist die Luft frischer,« sagte sie, »da am Herzen beengt mich etwas.« Sie atmete heiß auf seine Wange. Er berührte ihren Kopf mit der Hand – auch dieser war heiß. Ihre Brust atmete schwer und suchte sich durch Seufzer zu befreien. »Wäre es nicht besser, nach Hause zu gehen?« sprach Oblomow unruhig, »du mußt dich hinlegen.« – »Nein, nein, laß mich, rühr mich nicht an ...« sprach sie mit matter, kaum hörbarer Stimme; »es brennt bei mir hier ...« sie zeigte auf die Brust. »Wir sollten wirklich nach Hause gehen ...« drängte Oblomow. »Nein, warte, es wird vorübergehen ...« Sie preßte seine Hand zusammen, blickte ihm ab und zu tief in die Augen und schwieg lange. Dann begann sie zu weinen, zuerst leise und dann laut. Er verlor die Fassung. »Um Gottes willen, Oljga, gehen wir schnell nach Hause!« sagte er unruhig. »Es ist nichts,« antwortete sie schluchzend,

Weitere Kostenlose Bücher