Oblomow
eingeladen, durchaus in die Schweiz zu kommen, wohin Stolz zu reisen beabsichtigte, und sich zum Schlusse in Italien aufzuhalten. Wenn Oblomow damit nicht einverstanden wäre, sollte er aufs Gut fahren, seine Angelegenheiten regeln, die Bauern aus ihrer Trägheit aufrütteln, seine Einkünfte kontrollieren und bestimmen und während seiner Anwesenheit den Bau des neuen Hauses anordnen. »Denke an unsern Vertrag. Jetzt oder nie!« schloß er. »Jetzt, jetzt, jetzt!« wiederholte Oblomow. »Andrej weiß nicht, welch ein Poem sich in meinem Leben abspielt. Was für eine Arbeit will er denn noch? Kann ich denn jemals durch irgend etwas anderes so beschäftigt sein? Er sollte es einmal probieren! Man liest von den Franzosen und Engländern, daß sie immer arbeiten, daß sie immer ans Arbeiten denken! Und dabei durchreisen sie ganz Europa und manche von ihnen sogar Asien und Afrika, ohne irgend etwas zu tun, nur um ein Album vollzumalen oder Altertümer auszugraben, um Löwen zu schießen oder Schlangen zu fangen. Oder sie sitzen, sich dem edlen Nichtstun ergebend, zu Hause, frühstücken und dinieren mit Freunden und Frauen – das ist das Ganze! Was bin denn ich für ein Zuchthäusler? Andrej hat sich nur ausgedacht: ›Arbeite und arbeite wie ein Pferd!‹ Wozu? Ich bin satt und habe was anzuziehen. Aber Oljga hat wieder gefragt, ob ich nicht vorhabe, nach Oblomowka zu fahren! ...«
Er begann zu schreiben und nachzudenken und fuhr sogar zum Architekten hin. Bald lag auf seinem kleinen Tisch ein Plan des Hauses und des Gartens. Das war ein geräumiges Familienhaus mit zwei Balkons. Hier bin ich, hier ist Oljga, hier ist das Schlafzimmer, das Kinderzimmer ... dachte er lächelnd. Aber die Bauern, die Bauern ... Das Lächeln verschwand und seine Stirn furchte sich vor Sorge. Der Nachbar schreibt mir über alle Details, spricht vom Pflügen und Dreschen ... Wie langweilig das ist! Außerdem schlägt er vor, auf gemeinschaftliche Rechnung eine Straße in den großen Marktflecken zu bahnen, den Fluß zu überbrücken, bittet mich um dreitausend und will, ich soll Oblomowka verpfänden ... Und woher weiß ich denn, ob das notwendig ist? Ob dabei was herauskommt? Ob er mich nicht betrügt? ... Er ist zwar ein ehrlicher Mensch; Stolz kennt ihn, aber auch er kann sich ja irren, und mein Geld ist dann verloren! Dreitausend – ein solcher Haufen Geld; wo soll ich es hernehmen? Nein, ich fürchte mich! Dann schreibt er noch, ich soll einige Bauern auf das unbebaute Land übersiedeln lassen, und verlangt baldige Antwort – alles soll so schnell gehen! Er übernimmt es, alle Dokumente, die zur Verpfändung des Gutes erforderlich sind, dem Kuratorium einzusenden. Wenn ich ihm die Vollmacht hinschicken will, muß ich sie mir von den Behörden bestätigen lassen – was er von mir alles verlangt! Und ich weiß nicht einmal, wo sich dieses Departement befindet und wie man dort die Tür aufmacht. Es waren schon zwei Wochen vergangen und Oblomow antwortete ihm noch immer nicht; sogar Oljga fragte ihn, ob er schon bei den Behörden war. Vor kurzem hatte Stolz einen Brief an ihn und an sie zugleich geschickt und fragte darin, was er tue. Übrigens konnte Oljga die Tätigkeit ihres Freundes nur oberflächlich in der für sie zugänglichen Sphäre kontrollieren. Ob er frisch aussah, gerne überall mitfuhr, zur verabredeten Stunde im Haine erschien, ob ihn die Stadtneuigkeiten und ein allgemeines Gespräch interessierten. Am eifrigsten beobachtete sie, ob er nicht das Hauptziel seines Lebens aus dem Auge verlor. Wenn sie ihn über die Behörden ausfragte, geschah es nur, um Stolz über die Angelegenheiten seines Freundes zu schreiben.
Der Sommer hatte seinen Höhepunkt erreicht; es war Ende Juli; das Wetter war herrlich. Oblomow trennte sich fast gar nicht von Oljga. An klaren Tagen war er im Park, um die heiße Mittagsstunde suchte er mit ihr im Haine unter den Fichten Zuflucht, saß zu ihren Füßen und las ihr vor; sie stickte schon an einem anderen Kanevasstreifen – für ihn. Auch bei ihnen herrschte heißer Sommer; manchmal sammelten sich Wolken und verzogen sich dann. Wenn ihn schwere Träume bedrückten und Zweifel ans Herz pochten, stand Oljga wie ein Engel auf der Wache; sie brauchte ihm nur mit den hellen Augen ins Gesicht zu blicken und herauszubekommen, was er auf dem Herzen hatte – und alles beruhigte sich wieder in ihm, und ihre Liebe glitt rhythmisch wie ein Fluß dahin und spiegelte die sich stets neugestaltenden Gebilde
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