Oblomow
gequält: Warum war Tarantjew gekommen? War es für lange? Ihm kam die furchtbare Vermutung, er könnte vielleicht zum Essen dableiben, und dann wäre es nicht möglich, zu Iljinskys zu gehen. Der einzige Gedanke, der Oblomow beschäftigte, war, wie er ihn, selbst wenn das einige Ausgaben erfordern sollte, loswerden konnte. Er wartete schweigend und düster ab, was Tarantjew sagen würde.
»Warum schaust du dich gar nicht nach der Wohnung um, Landsmann?« fragte Tarantjew.
»Das ist jetzt nicht mehr nötig,« sagte Oblomow und bestrebte sich, Tarantjew nicht anzublicken. »Ich ... ziehe nicht dorthin.«
»W-as? Wieso ziehst du nicht hin?« entgegnete Tarantjew drohend, »du hast sie gemietet und ziehst nicht ein? Und der Kontrakt?«
»Was für ein Kontrakt?«
»Hast du schon vergessen? Du hast einen Kontrakt auf ein Jahr unterschrieben. Gib mir die achthundert Rubel, und geh dann, wohin du willst. Vier Personen haben die Wohnung angeschaut und wollten sie mieten; man hat alle abgewiesen. Jemand wollte sie auf drei Jahre mieten.«
Oblomow erinnerte sich erst jetzt, daß Tarantjew ihm am Tage des Umzuges aufs Land ein Papier gebracht hatte, das er in der Eile, ohne es zu lesen, unterschrieben hatte.
Ach mein Gott, was habe ich angerichtet! dachte er.
»Ich brauche aber keine Wohnung,« sagte Oblomow, »ich reise ins Ausland ...«
»Ins Ausland!« unterbrach Tarantjew, »mit diesem Deutschen? Aber das ist doch nichts für dich ... Du wirst doch nicht hinreisen!«
»Warum nicht? Ich habe schon einen Paß, ich werde ihn gleich zeigen. Ich habe auch einen Reisekoffer gekauft.«
»Du wirst nicht reisen!« wiederholte Tarantjew gleichgültig. »Gib mir das Geld für das halbe Jahr lieber im vorhinein.«
»Ich habe kein Geld.«
»Verschaffe dir welches, woher du willst; der Bruder meiner Gevatterin, Iwan Matwejewitsch, liebt keine Scherze. Er reicht gleich bei den Behörden ein; dann kommst du nicht mehr los. Ich habe für dich gezahlt, gib mir das Geld zurück.«
»Woher hast du so viel Geld?« fragte Oblomow.
»Was geht das dich an? Ich habe eine alte Schuld behoben. Gib das Geld her! Ich bin deswegen gekommen.«
»Gut; ich komme dieser Tage und übergebe die Wohnung einem anderen, und jetzt habe ich Eile ...«
Er knöpfte sich den Rock zu.
»Was brauchst du denn für eine Wohnung? Du findest in der ganzen Stadt keine bessere. Du hast sie ja nicht gesehen.«
»Ich will sie gar nicht sehen, wozu soll ich dorthin ziehen? Sie ist für mich zu weit weg ...«
»Wovon?« fragte Tarantjew grob. Doch Oblomow antwortete nichts.
»Vom Zentrum,« fügte er dann hinzu.
»Von welchem Zentrum? Wozu brauchst du es? Um zu liegen?«
»Nein, ich liege jetzt nicht mehr.«
»Warum denn nicht?«
»So. Ich ... bin heute ...« begann Oblomow.
»Was?« unterbrach Tarantjew.
»Ich esse nicht zu Hause ...«
»Gib das Geld her und scher dich zum Teufel!«
»Was für ein Geld?« wiederholte Oblomow ungeduldig. »Ich komme dieser Tage in die Wohnung und werde mit der Hausbesitzerin sprechen.«
»Mit welcher Hausbesitzerin? Mit der Gevatterin? Was versteht sie? Ein Frauenzimmer! Nein, sprich mit ihrem Bruder, dann wirst du was erleben.«
»Nun gut; ich werde hinfahren und mit ihnen sprechen.«
»Da kann man lange warten! Gib das Geld her, dann kannst du gehen.«
»Ich hab' keins; ich muß mir welches leihen.«
»Dann bezahle mir jetzt wenigstens für die Droschke,« ließ Tarantjew nicht nach, »drei Rubel!«
»Wo ist denn deine Droschke? Und wofür drei Rubel?«
»Ich habe den Kutscher fortgeschickt. Wieso wofür? Er hat mich gar nicht herfahren wollen: ›Durch diesen Sand?‹ sagt er. Und für die Rückfahrt drei Rubel – macht sechs Rubel.«
»Von hier fährt ein Omnibus für fünfzig Kopeken,« sagte Oblomow, »da hast du!«
Er gab ihm vier Rubel. Tarantjew steckte das Geld ein.
»Du bleibst mir noch zwei Rubel schuldig,« fügte er hinzu. »Und zahle mir mein Mittagessen!«
»Welches Mittagessen?«
»Ich komme jetzt nicht mehr zur rechten Zeit in die Stadt, ich werde genötigt sein, unterwegs in einem Gasthaus zu essen; hier kostet alles viel; ich werde fünf Rubel zahlen müssen.«
Oblomow nahm schweigend einen Rubel heraus und warf ihn ihm zu. Er setzte sich nicht, vor Ungeduld, und erwartete, Tarantjew würde bald fortgehen; doch er ging nicht.
»Laß mir doch einen Imbiß geben,« sagte er.
»Du wolltest doch im Gasthaus essen?« bemerkte Oblomow.
»Das wird mein Mittagessen sein! Jetzt geht es
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