Oblomow
aber erst auf zwei Uhr.«
Oblomow befahl Sachar etwas hereinzubringen.
»Es ist nichts da, wir haben nichts vorbereitet,« gab Sachar trocken zur Antwort, indem er Tarantjew düster anblickte. »Wie ist's, Michej Andreitsch, wann bringen Sie das Hemd und die Weste vom gnädigen Herrn? ...«
»Was für ein Hemd und eine Weste willst du haben?« wich Tarantjew aus, »ich habe das längst zurückgebracht.«
»Wann denn?« fragte Sachar.
»Hab' ich es dir denn nicht in die Hand gegeben, als ihr ausgezogen seid? Und du hast's irgendwohin in ein Bündel gesteckt und fragst jetzt danach ...«
Sachar erstarrte.
»Ach du mein Gott! Ilja Iljitsch, was das für eine Schande ist!« brüllte er, sich an Oblomow wendend.
»Fahr nur in derselben Tonart fort!« entgegnete Tarantjew, »du hast die Sachen wohl vertrunken und fragst jetzt danach ...«
»Nein, ich habe noch mein Lebtag nichts Herrschaftliches vertrunken!« krächzte Sachar, »aber Sie ...«
»Hör auf, Sachar!« unterbrach Oblomow streng.
»Haben Sie unseren Besen und die zwei Schalen fortgetragen?« fragte Sachar wieder.
»Welchen Besen?« donnerte Tarantjew. »O du alter Schurke! Gib lieber den Imbiß her!«
»Hören Sie, Ilja Iljitsch, wie er schimpft?« sagte Sachar. »Es ist kein Imbiß da, wir haben nicht einmal Brot im Hause und Anissja ist fortgegangen!« schloß er und ging.
»Wo ißt du denn?« fragte Tarantjew, »das ist ja ein wahres Wunder; Oblomow geht im Hain spazieren, ißt nicht zu Hause ... Wann ziehst du denn in die Wohnung ein? Es ist doch schon Herbst. Komm und schau sie dir an.«
»Gut, gut, dieser Tage ...«
»Und vergiß nicht, das Geld mitzubringen!«
»Ja, ja, ja ...« sagte Oblomow ungeduldig.
»Übrigens, brauchst du nicht noch etwas in der Wohnung? Man hat für dich die Fußböden und Plafonds, die Fenster und Türen, überhaupt alles angestrichen; das kostet mehr als hundert Rubel.«
»Ja, ja, gut ... Ach ja, ich wollte dir etwas sagen,« erinnerte sich plötzlich Oblomow, »laß mir, bitte, meine Vollmacht von den Behörden bestätigen ...«
»Bin ich denn dein Laufbursche?«
»Ich gebe dir noch etwas fürs Mittagessen.«
»Man zerreißt sich dabei mehr Stiefel, als du mir geben wirst.«
»Fahre nur hin, ich zahle dir dafür.«
»Ich darf nicht hingehen,« sprach Tarantjew düster.
»Warum?«
»Ich habe Feinde; sie zürnen mir und stellen mir Fallen, um mich zu verderben.«
»Nun gut, dann fahre ich selbst hin,« sagte Oblomow und griff nach seinem Hut.
»Wenn du in die Wohnung einziehst, wird dir Iwan Matwejewitsch alles besorgen. Das ist ein goldener Mensch, Bruder, nicht mit einem deutschen Parvenü zu vergleichen! Er ist ein alter russischer Beamter, sitzt seit dreißig Jahren auf demselben Stuhl und leitet das ganze Büro nach seinem Willen, er hat auch Geld, erlaubt sich aber nicht einmal eine Droschke zu nehmen, sein Frack ist nicht besser als der meinige; er ist sehr bescheiden, spricht so leise, daß man es kaum hört, treibt sich nicht im Ausland herum, wie dieser ...«
»Tarantjew!« schrie Oblomow auf und schlug mit der Faust auf den Tisch, »schweig, wenn du etwas nicht verstehst!«
Tarantjew glotzte Oblomow nach diesem unerhörten Ausfall an und vergaß sogar, darüber beleidigt zu sein, daß Stolz ihm vorgezogen wurde.
»Wie du bist, Bruder ...« brummte er, indem er nach dem Hut griff, »wo nimmst du die Courage her?«
Er strich mit dem Ärmel über seinen Hut, betrachtete ihn dann und wandte seinen Blick Oblomows Hut zu, der auf der Etagere lag.
»Du trägst deinen Hut nicht, da hast du ja eine Mütze,« sagte er, Oblomows Hut nehmend und ihn anprobierend, »gib ihn mir für den Sommer, Bruder ...«
Oblomow nahm ihm schweigend den Hut ab, legte ihn auf den früheren Platz, kreuzte dann die Hände auf der Brust übereinander und wartete, daß Tarantjew ging.
»Nun, geh zum Teufel!« sagte Tarantjew, sich ungeschickt durch die Tür schiebend. »Du bist heute so ... seltsam, Bruder ... Sprich nur mit Iwan Matwejewitsch und versuch's einmal, ihm nicht zu zahlen ...«
Zweites Kapitel
Er ging, und Oblomow setzte sich verstimmt auf den Sessel und bemühte sich lange Zeit, den unangenehmen Zwischenfall loszuwerden. Endlich erinnerte er sich an den Morgen. Tarantjews widerwärtige Gestalt verschwand aus seinem Hirn, und auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln. Er stellte sich vor den Spiegel, richtete sich die Krawatte, lächelte lange und blickte seine Wange an, ob dort nicht eine Spur von
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