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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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kalt.
    »Seitdem quäle ich mich bei Tag und bei Nacht und zerbreche mir den Kopf, wie der Klatsch zu verhindern wäre; ich habe mich bestrebt, dich nicht zu erschrecken ... Ich wollte schon lange mit dir sprechen ...«
    »Deine Sorge war überflüssig!« entgegnete sie, »ich habe es auch ohne dich gewußt ...«
    »Wieso hast du es gewußt?« fragte er erstaunt.
    »So. Sonitschka hat mit mir gesprochen, mich ausgeforscht, gestichelt und sogar belehrt, wie ich mich mit dir benehmen soll ...«
    »Und du hast mir kein Wort gesagt, Oljga!« warf er ihr vor.
    »Du hast mir bisher auch nichts von deinen Sorgen gesagt!«
    »Was hast du ihr denn geantwortet?«
    »Nichts! Was sollte ich ihr darauf antworten? Ich bin nur errötet.«
    »Mein Gott! Wie weit ist es gekommen; du errötest! Wie unvorsichtig wir sind! Was wird daraus werden?«
    Er sah sie fragend an.
    »Ich weiß nicht,« sagte sie kurz. Oblomow hatte gehofft, nachdem er Oljga seine Gedanken mitgeteilt hatte, aus ihren Augen und Worten Willenskraft zu schöpfen, und, als er keine lebendige, entschlossene Antwort fand, sank ihm der Mut. Sein Gesicht nahm einen schwankenden Ausdruck an, und der Blick irrte traurig umher. In seinem Innern stieg ein leichtes Fieber auf. Er hatte Oljga fast ganz vergessen, vor ihm drängten sich die Gäste und Sonitschka mit ihrem Mann; er hörte ihre Gespräche und ihr Lachen. Oljga schwieg, statt schlagfertig wie sonst zu sein, blickte ihn kalt an und sprach noch kälter ihr »ich weiß nicht«. Er gab sich nicht die Mühe oder verstand es nicht, in den geheimen Sinn dieser Worte einzudringen.
    Und er schwieg; sein Gedanke oder sein Vorsatz konnte ohne fremde Hilfe nicht reifen und wie ein Apfel von selbst herabfallen; man mußte ihn pflücken.
    Oljga blickte ihn ein paar Minuten lang an, zog dann die Mantille an, nahm vom Zweig ihren Schal herunter, band ihn langsam um und ergriff den Schirm.
    »Wohin? So früh!« fragte er, plötzlich zur Besinnung kommend.
    »Nein, es ist spät. Du hast recht,« sagte sie sinnend und traurig, »wir sind zu weit gegangen und finden jetzt keinen Ausweg mehr; wir müssen uns schnell trennen und die Spuren der Vergangenheit fortfegen. Leb wohl!« fügte sie trocken und bitter hinzu und wollte mit gesenktem Kopf umkehren.
    »Oljga, ich bitte dich, um Gottes willen! Wie sollten wir nicht mehr zusammenkommen! Aber ich ... Oljga!«
    Sie hörte nicht zu und ging schneller; der Sand knisterte unter ihren Schuhen.
    »Oljga Sjergejewna!« rief er.
    Sie hörte nicht und ging weiter.
    »Um Gottes willen, kehre um!« schrie er mit tränenvoller Stimme, »man muß ja auch einen Verbrecher ausreden lassen ... Mein Gott! Hat sie denn ein Herz? ... So sind die Frauen!«
    Er setzte sich und bedeckte sich die Augen mit beiden Händen. Es waren keine Schritte mehr zu hören.
    »Sie ist fort!« rief er fast entsetzt aus und hob den Kopf.
    Oljga stand vor ihm.
    Er ergriff freudig ihre Hand.
    »Du bist nicht fortgegangen, du gehst nicht? ...« sprach er. »Geh nicht; denke daran, daß ich ein toter Mensch bin, wenn du fortgehst!«
    »Und wenn ich nicht fortgehe, bin ich eine Verbrecherin, denke daran, Ilja!«
    »Ach nein ...«
    »Wieso nicht? Wenn Sonitschka und ihr Mann uns noch einmal zusammen sehen, bin ich verloren ...«
    Er fuhr zusammen.
    »Höre,« begann er eilig und stotternd, »ich habe noch nicht alles gesagt! ...«
    Er schwieg.
    Das, was ihm zu Hause so einfach, natürlich und notwendig erschienen war, was ihm so hold und das Glück selbst zu sein schien, wurde für ihn plötzlich zu einem Abgrund. Ihm ging der Atem aus, als er darüber hinschreiten wollte. Ihm stand ein entscheidender, kühner Schritt bevor.
    »Jemand kommt!« sagte Oljga.
    Man hörte auf dem Seitenweg Schritte.
    »Vielleicht ist das Sonitschka?« fragte Oblomow mit vor Entsetzen starren Augen.
    Es gingen zwei unbekannte Herren und eine Dame vorüber. Oblomow fiel ein Stein vom Herzen.
    »Oljga,« begann er eilig und ergriff ihre Hand, »gehen wir von hier weg, dort ist niemand. Setzen wir uns hin.«
    Er setzte sie auf die Bank hin und ließ sich auf das Gras neben ihr nieder.
    »Du bist aufgefahren, bist fortgegangen und ich hab' dir noch nicht alles gesagt!« sprach er.
    »Ich werde wieder fortgehen und nicht mehr zurückkommen, wenn du mit mir spielen wirst. Dir gefielen früher einmal meine Tränen, jetzt willst du mich vielleicht zu deinen Füßen sehen und mich nach und nach zur Sklavin machen, Grillen fangen, Moral predigen, dann

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