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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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fragte sie, ihm ins Gesicht blickend.
    »Mein Gott!« sagte Oblomow, »wenn man auf Stolz hört, wird die Tante noch eine Ewigkeit nicht an die Reihe kommen! Er sagt, man müßte zuerst das Haus bauen, dann die Straße anlegen und Schulen einrichten ... Dazu reicht ein ganzes Leben nicht aus. Wir fahren zusammen hin, Oljga, und dann ...«
    »Und wohin sollen wir fahren? Gibt es denn dort ein Haus?«
    »Nein; das alte ist ganz morsch, die Stiege ist wohl schon auseinandergefallen ...«
    »Wohin fahren wir dann?« fragte sie.
    »Man muß hier eine Wohnung suchen.«
    »Deswegen muß man auch in die Stadt fahren,« bemerkte sie, »das ist der zweite Schritt ...«
    »Dann ...« begann er.
    »Mache zuerst diese beiden Schritte und dann ...«
    Was ist denn das? dachte Oblomow traurig; weder ein langes Flüstern noch ein geheimer Vertrag, unsere beiden Leben zu vereinigen! Alles ist anders, nicht so, wie ich es mir gedacht habe. Wie seltsam diese Oljga ist! Sie bleibt nicht auf einem Punkt stehen; sie sinnt nicht süß über einen poetischen Augenblick nach, als hätte sie gar keine Träume und kein Bedürfnis, sich von den Gedanken hintragen zu lassen! Ich soll mich gleich an die Behörden wenden und eine Wohnung suchen, wie Andrej! Es ist, als hätten sie alle einen Vertrag geschlossen, sich mit dem Leben zu beeilen!
    Am nächsten Tage begab er sich mit einem Bogen Stempelpapier in die Stadt, um zuerst seine Angelegenheit bei den Behörden zu erledigen; er fuhr ungern hin und blickte gähnend um sich. Er wußte nicht recht, wohin er sich zu wenden hatte, und fuhr zu Iwan Gerassimitsch hin, um ihn zu fragen, in welchem Departement er die Dokumente vorzuzeigen hatte. Dieser freute sich, Oblomow zu sehen, und wollte ihn ohne Frühstück nicht fortlassen. Dann ließ er noch einen Freund holen, um ihn darüber, was zu tun war, auszufragen, denn er selbst befaßte sich längst nicht mehr mit derlei Angelegenheiten. Das Frühstück und die Beratung dauerten bis drei Uhr, und es war zu spät, in das Departement zu gehen, am nächsten Tag war Samstag, und es gab keine Bürostunden, man mußte die Sache auf Montag verschieben.
    Oblomow begab sich auf die Wiborgskajastraße in seine neue Wohnung. Er fuhr lange durch kleine Gassen, zwischen endlosen Zäunen hin. Endlich fand er einen Wachmann; dieser sagte, das Haus befände sich im nächsten Viertel der Straße, und zeigte auf ein unbebautes Ende derselben hin, das keine Zäune hatte, mit Gras bedeckt war und trockene Wagenfurchen aufwies. Oblomow fuhr weiter, indem er die Brennesseln und die über die Zäune hervorlugenden Ebereschen bewunderte. Endlich zeigte ihm der Wachmann ein altes Häuschen, das auf dem Hof stand, indem er hinzufügte: »Das da.« – »Das Haus der Witwe des Kollegiensekretärs Pschenizin,« las Oblomow auf dem Tor und befahl, in den Hof hineinzufahren. Der Hof hatte die Größe eines Zimmers, so daß der Wagen mit der Deichsel gegen die Ecke des Hauses anstieß und einen Haufen Hühner auseinanderjagte, so daß sie gackernd eilig auseinanderstoben und manche sogar aufflogen; ein großer schwarzer Hund begann an seiner Kette zu reißen, indem er wütend bellte und sich bestrebte, die Köpfe der Pferde zu erreichen. Oblomow saß dicht an den Fenstern und war in Verlegenheit, wie er aussteigen sollte. In den Fenstern, auf denen Reseda, Ringelblumen und Samtblumen standen, zeigten sich Köpfe. Oblomow kroch mit Mühe aus dem Wagen heraus; der Hund bellte noch wütender. Er wandte sich dem Eingang zu und stieß auf eine runzelige alte Frau in einem Sarafan, dessen Saum sie sich in den Gürtel gesteckt hatte.
    »Wen wollen Sie sprechen?« fragte sie.
    »Die Hausfrau, Frau Pschenizin.«
    Die Alte senkte verblüfft den Kopf.
    »Meinen Sie vielleicht Iwan Matwejewitsch?« fragte sie. »Er ist nicht zu Hause; er ist aus dem Amt noch nicht zurückgekehrt.«
    »Ich möchte die Hausfrau sprechen,« sagte Oblomow.
    Unterdessen dauerte der Trubel im Hause fort. Bald aus dem einen, bald aus dem anderen Fenster schaute ein Kopf hervor; die Tür hinter der Alten wurde geöffnet und wieder geschlossen; von dort blickten verschiedene Gesichter hervor. Oblomow wandte sich um; auf dem Hof standen zwei Kinder, ein Knabe und ein Mädchen, die ihn neugierig anblickten. Von irgendwo erschien ein schläfriger Bauer in einem Schafpelz und betrachtete träge Oblomow und den Wagen, indem er sich die Augen mit der Hand vor der Sonne schützte. Der Hund fuhr fort, in Absätzen laut zu

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