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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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Oljgas heißem Kuß zu sehen war.
    »Zwei ›Nie‹«, sagte er leise in freudiger Aufregung, »und was für ein Unterschied war zwischen ihnen: das eine war schon verblaßt, und das zweite blühte so reich ...«
    Dann versank er in tiefes Sinnen. Er fühlte, daß der lichte, wolkenlose Feiertag der Liebe schon verging, daß die Liebe wirklich zu einer Pflicht wurde, daß sie sich dem ganzen Leben anreihte, eines seiner Bestandteile wurde, zu verblassen und die leuchtenden Farben zu verlieren begann. Vielleicht hatte des Morgens ihr letzter rosiger Schimmer geleuchtet, und sie würde dann nicht mehr hell strahlen, sondern das Leben unsichtbar erwärmen; das Leben wird sie verschlingen, und sie wird eine starke, aber verborgene Triebfeder sein. Und von nun an werden ihre Äußerungen so einfach und gewöhnlich erscheinen. Das Poem geht zu Ende, und die strenge Geschichte beginnt; die Verhandlungen mit den Behörden, dann die Fahrt nach Oblomowka, das Bauen des Hauses, die Anzahlung in den Gouvernementsrat, das Bahnen der Straße, das endlose Ordnen der Angelegenheiten der Bauern, der Arbeit, des Dreschens, des Mähens, das Klopfen des Rechenbrettes, das besorgte Gesicht des Verwalters, die Wahlen, die Gerichtsverhandlungen. Ab und zu wird Oljgas Blick aufleuchten, und es wird Casta diva oder ein heiliger Kuß ertönen, und man muß wieder arbeiten, in die Stadt fahren, dann kommt wieder der Verwalter, und er hört das Klopfen des Rechenbrettes. Es kommen Gäste – aber auch das ist kein Ausruhen; man spricht davon, wieviel Schnaps gebrannt wurde, wieviel Arschin Tuch an die Behörden geliefert wurden ... Was war denn das? Hatte er denn davon geträumt? War denn das das Leben? ... Man lebt aber das ganze Leben so. Und Andrej gefällt es!
    Aber die Heirat, die Hochzeit, das war doch die Poesie des Lebens, das war eine üppige, aufgeblühte Blume. Er stellte sich vor, wie er Oljga zum Altar führte; sie trägt einen Orangenblumenzweig und einen langen Schleier auf dem Kopf. In der Menge ertönt ein bewunderndes Geflüster. Sie reicht ihm verschämt die Hand, senkt stolz und graziös den Kopf und weiß nicht, wie sie alle anblicken soll. Bald erstrahlt sie in einem Lächeln, bald kommen ihr die Tränen, bald bewegt sich die Falte über der Braue gedankenvoll. Zu Hause, wenn die Gäste fort sind, wirft sie sich ihm noch in dem reichen Kleid wie heute an die Brust ... »Nein, ich laufe zu Oljga hin, ich kann allein nicht denken und fühlen,« sagte er. »Ich erzähle es allen, der ganzen Welt ... nein, zuerst der Tante, dann dem Baron, ich schreibe es auch Stolz – wie er sich wohl wundern wird! Dann sag' ich es Sachar; er wird sich bis zur Erde verneigen und vor Freude heulen; ich werde ihm fünfundzwanzig Rubel geben. Anissja wird kommen, wird mir die Hand küssen wollen; dann werde ich ihr zehn Rubel geben; dann ... dann werde ich vor Freude laut schreien, damit die ganze Welt es weiß und damit alle sagen: ›Oblomow ist glücklich, Oblomow heiratet!‹ Jetzt laufe ich zu Oljga hin; dort erwartet mich ein langes Flüstern und der geheimnisvolle Vertrag, unsere beiden Leben zu vereinigen! ...«
    Er lief zu Oljga hin. Sie hörte lächelnd seinen Träumen zu; sowie er aber aufsprang, um es der Tante mitzuteilen, runzelte sie so die Brauen, daß er Angst bekam.
    »Niemand ein Wort davon!« sagte sie, den Finger an die Lippen legend und ihm ein Zeichen machend, leiser zu sprechen, damit die Tante aus dem angrenzenden Zimmer nichts hörte.
    »Es ist noch nicht Zeit!«
    »Wann ist es denn Zeit, wenn bei uns alles beschlossen ist?« fragte er ungeduldig, »was soll man denn jetzt tun? Womit anfangen? Man kann doch nicht ruhig sitzen bleiben! Jetzt beginnen die Pflichten und der Ernst des Lebens ...«
    »Ja, jetzt beginnt das,« wiederholte sie, ihn forschend anblickend.
    »Ich wollte den ersten Schritt machen und zur Tante gehen ...«
    »Das ist der letzte Schritt!«
    »Welcher ist denn der erste?«
    »Der erste ist, sich an die Behörde zu wenden; du mußt ja wohl irgendein Dokument haben?«
    »Ja ... ich fahre morgen hin ...«
    »Warum denn nicht heute?«
    »Heute ... heute ist doch ein solcher Tag, und ich sollte von dir fortgehen, Oljga ...«
    »Nun gut, morgen. Und dann?«
    »Dann mit der Tante sprechen und an Stolz schreiben.«
    »Nein, dann nach Oblomowka fahren ... Andrej Iwanowitsch hat ja geschrieben, was auf dem Gut zu tun ist; ich weiß nicht, was dort angeordnet werden muß, ich glaube bezüglich des Bauens?«

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