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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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weinen, dich fürchten und fragen, was wir tun sollen? Vergessen Sie nicht, Ilja Iljitsch,« fügte sie plötzlich stolz hinzu, indem sie sich von der Bank erhob, »daß ich, seitdem ich Sie kenne, um vieles gereift bin und weiß, wie das Spiel, das Sie mit mir treiben, heißt ... meine Tränen werden Sie aber nicht mehr sehen ...«
    »Ach, bei Gott, ich spiele nicht!« sagte er überzeugend.
    »Um so schlimmer für Sie,« bemerkte sie trocken. »Auf alle Ihre Befürchtungen, Warnungen und Rätsel antworte ich Ihnen nur das eine: ich habe Sie bis zur heutigen Begegnung geliebt und habe nicht gewußt, was ich zu tun habe; jetzt weiß ich es,« schloß sie energisch und machte Anstalten fortzugehen, »ich werde Sie nicht mehr zu Rate ziehen.«
    »Auch ich weiß es,« sagte er, sie bei der Hand zurückhaltend und zur Bank führend, dann schwieg er eine Weile, um Mut zu fassen.
    »Stelle dir vor,« begann er, »mein Herz ist von dem einen Wunsch und mein Kopf von dem einen Gedanken erfüllt, doch der Wille und die Zunge gehorchen mir nicht ... ich will sprechen, und die Worte wollen mir nicht von den Lippen. Und es ist doch so einfach, so ... Hilf mir, Oljga.«
    »Ich weiß nicht, was Sie im Sinn haben ...«
    »Um alles in der Welt, laß dieses ›Sie‹; dein stolzer Blick tötet mich, jedes Wort macht mich wie Frost erstarren ...«
    Sie lachte.
    »Du bist verrückt!« sagte sie, ihm die Hand auf den Kopf legend.
    »So ist's recht, jetzt habe ich wieder die Gabe zu sprechen und zu denken! Oljga,« sagte er, vor ihr niederkniend, »sei mein Weib!«
    Sie schwieg und wandte sich von ihm ab.
    »Oljga, gib mir die Hand!« sprach er weiter.
    Sie gab sie ihm nicht. Er nahm sie selbst und preßte sie an die Lippen. Sie ließ ihn gewähren. Die Hand war warm, weich und etwas feucht. Er bemühte sich, ihr ins Gesicht zu sehen, doch sie wandte sich immer mehr ab.
    »Du schweigst?« sagte er, unruhig und fragend, indem er ihr die Hand küßte.
    »Das ist ein Zeichen der Zustimmung!« sagte sie leise, blickte ihn aber noch immer nicht an.
    »Was fühlst du jetzt? Woran denkst du?« fragte er, sich an seinen Traum von der verschämten Antwort und von den Tränen erinnernd.
    »Dasselbe wie du,« antwortete sie und blickte noch immer irgendwohin in den Wald; nur das Heben und Senken der Brust deutete darauf hin, daß sie sich beherrschte.
    Hat sie wohl Tränen in den Augen? dachte Oblomow, doch sie blickte beharrlich nach unten.
    »Du bist gleichgültig und ruhig?« fragte er und bemühte sich, ihre Hand an sich zu ziehen.
    »Nicht gleichgültig, aber ruhig.«
    »Warum denn?«
    »Weil ich das lange vorausgesehen und mich an den Gedanken gewöhnt habe.«
    »Lange?« wiederholte er erstaunt.
    »Ja, von dem Augenblicke an, als ich dir den Fliederzweig gereicht habe ... nannte ich dich im Geiste ...«
    Sie sprach nicht zu Ende.
    »Von jenem Augenblick an?«
    Er öffnete weit seine Arme und wollte sie umfassen.
    »Der Abgrund öffnet sich, die Blitze flammen ... vorsichtig!« sagte sie schelmisch, seiner Umarmung geschickt ausweichend und seine Hände mit dem Schirm fortstoßend.
    Er dachte an das strenge »Nie!« und wurde ruhig.
    »Du hast aber niemals davon gesprochen und hast es durch nichts angedeutet ...« sagte er.
    »Wir heiraten nicht selbst, man verheiratet oder nimmt uns.«
    »Von jenem Augenblick an ... ist es möglich? ...« wiederholte er sinnend.
    »Glaubst du, daß, wenn ich dich nicht verstanden hätte, ich hier mit dir allein wäre, des Abends mit dir in der Laube sitzen, dir zuhören und dir vertrauen würde?« sagte sie stolz.
    »Das ist also ...« begann er, den Gesichtsausdruck wechselnd und ihre Hand loslassend.
    In ihm regte sich ein seltsamer Gedanke. Sie blickte ihn mit ruhigem Stolz an und wartete voll Sicherheit; aber er hatte sich für einen Augenblick nicht Stolz und Sicherheit, sondern Tränen, Leidenschaft und berauschendes Glück gewünscht, wenigstens für den einen Augenblick, auf den dann ein Leben voll ungestörter Ruhe folgen konnte! Es gab aber keine plötzlichen Tränen vor unerwartetem Glück, keine verschämte Zustimmung.
    Wie sollte er das auffassen? In seinem Herzen erwachte und regte sich der Wurm des Zweifels ... Liebte sie oder wollte sie nur heiraten?
    »Es gibt aber einen andern Weg, der zum Glück führt,« sagte er.
    »Was für einen?« fragte sie.
    »Manchmal wartet die Liebe nicht, geduldet sich nicht und berechnet nicht ... Das Weib ist dann voll Feuer und Beben und empfindet zugleich

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