Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
Vom Netzwerk:
getan?«
    »Wie wagt er es, über meinen Herrn so zu sprechen?« entgegnete Sachar leidenschaftlich, auf den Kutscher hinweisend. »Weiß er denn, wer mein Herr ist?« fragte er ehrfurchtsvoll. »Du hast so einen Herrn nicht einmal im Traum gesehen«, sagte er, sich an den Kutscher wendend, »so klug, gut und schön ist er! Und der deinige ist wie ein verhungertes Droschkenpferd! Es ist eine Schande zuzuschauen, wie er auf der braunen Stute vom Hof herausfährt; der reinste Bettler! Ihr eßt ja nur Rettich mit Kwaß. Schau einmal deinen Rock an; man kann die Löcher gar nicht zählen.«
    Es muß bemerkt werden, daß der Rock des Kutschers ganz ohne Löcher war.
    »Ja, man findet nicht so leicht einen solchen«, unterbrach ihn der Kutscher und zog geschickt den unter Sachars Arm hervorschauenden Hemdzipfel ganz heraus.
    »Laßt gut sein!« sagte der Hausbesorger, die Hände zwischen sie streckend.
    »Was? Du zerreißt mir meine Kleider!« schrie Sachar, noch mehr vom Hemd hervorziehend, »wart, ich zeig's dem Herrn! Schaut, Brüder, was er gemacht hat; er hat mir mein Kleid zerrissen.«
    »Ich hab's getan?« sagte der Kutscher, ein wenig eingeschüchtert; »das hat wohl dein Herr zerrissen.«
    »So ein Herr wird mir die Kleider zerreißen!« sagte Sachar, »das ist ja eine gute Seele; das ist ja Gold und kein Herr, Gott schenke ihm Gesundheit! Ich lebe bei ihm wie im Himmelreich; ich kenne keine Not, und er hat mich noch sein Lebtag nicht einen Dummkopf genannt; ich lebe in Ruhe und bin zufrieden, ich esse von seinem Tisch und gehe, wohin ich will – so ist's ... und auf dem Gut habe ich mein eigenes Haus, einen Gemüsegarten, und bekomme mein Pachtkorn. Die Bauern verneigen sich bis zur Erde vor mir! Ich bin der Verwalter Majordom! Und ihr da ...«
    Ihm versagte vor Zorn die Stimme, um seinen Gegner endgültig zu vernichten. Er hielt eine Weile an, um Kräfte zu sammeln und sich ein giftiges Wort auszudenken, konnte aber vor dem Übermaß der in ihm angehäuften Galle auf nichts kommen.
    »Wart nur, was du noch fürs Kleid kriegst; man wird dich das Reißen lehren! ...« sagte er endlich.
    Dadurch, daß man seinen Herrn angegriffen hatte, war auch Sachar empfindlich verletzt worden. Man hatte seinen Ehrgeiz und seine Eitelkeit geweckt. Seine Anhänglichkeit war erwacht und äußerte sich in ihrer ganzen Macht. Er war bereit, nicht nur seinen Gegner, sondern auch dessen Herrn, die Verwandtschaft dieses Herrn, von der er nicht einmal wußte, ob sie existierte, und die Bekannten mit dem Gift seiner Galle zu netzen. Jetzt wiederholte er mit einer bewunderungswürdigen Genauigkeit alle Verleumdungen und Klatschgeschichten, die er aus seinen früheren Gesprächen mit dem Kutscher aufgefangen hatte.
    »Und ihr seid mit eurem Herrn ein verfluchtes Lumpenpack, ihr seid Juden, und das ist noch ärger als Deutsche!« sagte er, »ich weiß schon, wer euer Großvater war; ein Kommis vom Trödelmarkt. Gestern sind von euch Gäste herausgekommen, und ich habe geglaubt, daß Diebe sich ins Haus eingeschlichen haben; es war ein Erbarmen, das anzusehen! Auch die Mutter hat auf dem Trödelmarkt mit gestohlenen und abgetragenen Kleidern gehandelt.«
    »Genug, genug! ...« redete ihnen der Hausbesorger zu.
    »Ja!« sagte Sachar, »ich hab' Gott sei Dank einen Herrn, der ein Edelmann ist; seine Freunde sind lauter Generale, Grafen und Fürsten. Er setzt nicht einmal einen jeden Grafen neben sich; mancher kommt und muß lange im Vorhaus stehen ... Es kommen lauter Schriftsteller ...«
    »Wie sind denn diese Schriftsteller?« fragte der Hausbesorger, der den Streit beilegen wollte. »Sind das solche Beamte?«
    »Nein, das sind Herrschaften, die immer auf dem Sofa liegen, Sherry trinken und eine Pfeife rauchen. Manchmal tragen sie mit den Füßen so viel Schmutz hinein, daß es gar nicht zu sagen ist ...« erklärte Sachar und stockte, da er bemerkte, daß fast alle spöttisch lächelten.
    »Und ihr seid hier alle Schufte, alle miteinander!« sagte er rasch und warf allen einen bösen Blick zu. »Ich werde dir zeigen, wie man fremde Kleider zerreißt. Ich gehe zum Herrn und erzähle ihm das!« sagte er und ging eilig dem Hause zu.
    »Aber laß doch gut sein! Wart, wart!« schrie der Hausbesorger. »Sachar Trofimitsch! Komm in die Bierschenke, bitte, komm mit ...«
    Sachar blieb stehen, wandte sich schnell um und stürzte noch schneller, ohne die Dienerschaft anzublicken, auf die Straße.
    Er erreichte, ohne sich nach irgend jemand

Weitere Kostenlose Bücher