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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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Polizei auf die Beine gebracht haben, Andrej aber kommt wieder. O, er ist ein tüchtiger Bursch!«
    Am nächsten Tage fand man Andrej ruhig schlafend in seinem Bette, und auf dem Fußboden lagen ein fremdes Gewehr und ein Pfund Pulver und Schrot.
    »Wohin bist du verschwunden? Woher hast du das Gewehr genommen?« bestürmte ihn die Mutter mit Fragen. »Warum schweigst du denn?«
    »So!« war die einzige Antwort.
    Der Vater fragte, ob er die Übersetzung von Cornelius Nepos ins Deutsche fertig habe.
    »Nein«, antwortete er.
    Der Vater packte ihn mit der einen Hand beim Kragen, führte ihn zum Tore hinaus, setzte ihm seinen Hut auf und stieß ihn von rückwärts so mit dem Fuße, daß er ihn zum Fallen brachte.
    »Geh zurück, woher du kamst«, fügte er hinzu, »und kehre mit der Übersetzung, jetzt nicht mehr von einem, sondern von zwei Kapiteln zurück, und lerne außerdem für die Mutter die Rolle aus der französischen Komödie, die sie dir aufgegeben hat; ohne alles das darfst du dich nicht wieder zeigen!«
    Andrej kam in einer Woche zurück, brachte die Übersetzung mit und konnte die Rolle.
    Als er größer wurde, setzte ihn der Vater zu sich auf seinen kleinen Wagen, gab ihm die Leine und befahl ihm, in die Fabrik, dann in die Felder, in die Stadt zu den Kaufleuten und zu den Amtsgebäuden zu fahren, oder er gab ihm irgendeinen Lehm zu riechen, den er auf den Finger streute, roch, manchmal leckte und auch den Sohn riechen ließ, und dabei erklärte er ihm, was für eine Sorte es sei und wozu man sie verwenden könne. Oder sie gingen sich ansehen, wie Pottasche oder Teer gewonnen und wie Schmalz zerlassen wird. Mit vierzehn, fünfzehn Jahren begab sich der Knabe oft allein zu Wagen oder zu Pferd, mit einer Tasche am Sattel, im Auftrage des Vaters in die Stadt, und es kam nie vor, daß er irgend etwas vergaß, anders ausrichtete, übersah oder einen Fehler beging. »Recht gut, mein lieber Junge!« sagte der Vater, nachdem er seinen Bericht angehört hatte, und gab ihm, ihn mit der breiten Handfläche auf die Schulter klopfend, zwei, drei Rubel, je nach der Wichtigkeit des Auftrages. Die Mutter wusch dann lange den Ruß, den Schmutz, den Lehm und das Schmalz von Andrjuscha herunter.
    Sie war mit dieser praktischen Erziehung zur Arbeit nicht ganz einverstanden. Sie fürchtete, ihr Sohn würde ein ebensolcher deutscher Bürger werden wie die, von denen sein Vater abstammte. Sie sah die ganze deutsche Nation für einen Haufen von Kleinbürgern an und liebte nicht die Grobheit, Selbständigkeit und den Hochmut, mit denen die deutsche Menge überall ihre durch ein Jahrtausend ausgearbeiteten Bürgerrechte vorzeigte, ebenso wie eine Kuh Hörner trägt, die sie nicht rechtzeitig zu verstecken weiß. Ihrer Ansicht nach gab es in der ganzen deutschen Nation keinen einzigen Gentleman und konnte es auch keinen geben. Sie kannte im deutschen Charakter keine Weichheit, kein Zartgefühl und keine Nachsicht, nichts, was das Leben in besseren Kreisen so angenehm macht, womit man irgendeine Regel umgehen, eine herrschende Sitte aufheben und sich dem allgemeinen Gesetze widersetzen kann. Nein, diese Flegel stürmen auf einen los und berufen sich darauf, was sie einmal abgemacht und was sie sich in den Kopf gesetzt haben, und sind bereit, die Mauer mit dem Kopfe einzurennen, um nur nach ihren Regeln zu handeln. Sie hatte in einem reichen Hause als Erzieherin gelebt und Gelegenheit gehabt, im Auslande zu sein und ganz Deutschland zu durchreisen; sie reihte alle Deutschen in ein Heer von Kommis, Handwerkern, Kaufleuten, kerzengeraden Offizieren mit Soldatengesichtern und Beamten mit Alltagsgesichtern ein, die alle kurze Pfeifen rauchten und durch die Zähne ausspuckten, die nur für schwere Arbeit, für mühsamen Gelderwerb, für die schablonenhafte Ordnung, für die langweilige Regelmäßigkeit des Lebens und die pedantische Erfüllung der Pflichten taugten; all diese Bürger mit den eckigen Manieren, mit den großen, groben Händen, mit der vulgären Frische des Gesichtes und mit der groben Rede. Wie man den Deutschen auch aufputzen mag, dachte sie, – was für ein feines und weißes Hemd er auch anzieht: wenn er Lackschuhe und sogar gelbe Handschuhe trägt, scheint er doch aus Schusterleder geschnitten zu sein; aus den weißen Manschetten schauen immer die rauhen und rötlichen Hände hervor, und in dem eleganten Anzuge steckt, wenn nicht ein Bäcker, so doch zumindest ein Büfettier. Diese rauhen Hände scheinen nach einem

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