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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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bist du denn?«
    Oblomow schwieg.
    »Zu welcher Gesellschaftsklasse zählst du dich denn?«
    »Frage Sachar!« sagte Oblomow.
    Stolz erfüllte buchstäblich Oblomows Wunsch.
    »Sachar!« rief er.
    Sachar kam mit schläfrigen Augen herein.
    »Wer liegt da?« fragte Stolz.
    Sachar wurde plötzlich wach und blickte von der Seite mißtrauisch zuerst Stolz und dann Oblomow an.
    »Wer das ist? Sehen Sie denn nicht?«
    »Ich sehe nicht«, sagte Stolz.
    »Was soll denn das heißen? Das ist der gnädige Herr, Ilja Iljitsch.«
    Er lächelte.
    »Gut, geh!«
    »Der gnädige Herr!« wiederholte Stolz und brach in Lachen aus.
    »Nun, ein Gentleman«, verbesserte Oblomow ärgerlich.
    »Nein, nein, du bist der gnädige Herr!« fuhr Stolz lachend fort.
    »Was ist denn da für ein Unterschied?« fragte Oblomow, »ein Gentleman ist auch ein gnädiger Herr.«
    »Ein Gentleman ist ein solcher gnädiger Herr, der sich selbst die Strümpfe anzieht und auch selbst seine Schuhe auszieht.«
    »Ja, ein Engländer macht das selbst, weil sie nicht so viel Dienstboten haben, aber ein Russe ...«
    »Also zeichne mir die Umrisse deines Lebensideals zu Ende. Nun, um dich herum leben liebe Nachbarn; was ist dann weiter? Wie würdest du deine Tage verbringen?«
    »Ja, also ich würde des Morgens aufstehen«, begann Oblomow, die Hände unter den Hinterkopf schiebend, und über sein Gesicht verbreitete sich ein Ausdruck von Ruhe; er war im Geiste schon auf dem Gut.
    »Das Wetter ist herrlich, der Himmel ist tiefblau, ohne ein einziges Wölkchen«, sprach er, »die eine Seite des Hauses ist auf meinem Plan mit dem Balkon nach Osten, dem Garten und den Feldern zugewendet, die andere dem Dorfe zu. In Erwartung des Erwachens meiner Frau würde ich den Schlafrock anziehen und in den Garten gehen, um die Morgendünste einzuatmen; dort finde ich schon den Gärtner vor, wir begießen zusammen die Blumen und stutzen das Gebüsch und die Bäume. Ich pflücke einen Strauß Blumen für meine Frau. Dann gehe ich in die Wanne oder in den Fluß baden, komme zurück, und der Balkon ist schon offen; meine Frau steht in einer Bluse und einem leichten Häubchen, das sich kaum hält und, wie es scheint, gleich fortfliegen wird ... Sie erwartet mich. ›Der Tee ist fertig‹, sagt sie. Was für ein Kuß! Was für ein Tee! Was für ein bequemer Sessel! Ich setze mich an den Tisch; darauf steht Zwieback oder frische Butter ...«
    »Dann!«
    »Dann ziehe ich einen weiten Rock oder irgendeine Joppe an, umfasse die Taille meiner Frau und vertiefe mich mit ihr in eine endlose, dunkle Allee; wir gehen langsam und sinnend, schweigen oder denken laut, träumen, zählen die Augenblicke des Glücks wie das Schlagen des Pulses; hören zu, wie das Herz klopft oder erstarrt; suchen in der Natur nach Widerhall ... und kommen unmerklich zum Fluß, zum Feld hin ... Der Fluß plätschert leise; die Ähren wogen im Winde, es ist heiß ... Wir steigen ins Boot, die Frau rudert, die Ruder kaum sichtbar hebend ...«
    »Du bist ja ein Dichter, Ilja!« unterbrach Stolz.
    »Ja, ein Dichter des Lebens, denn das Leben ist Poesie. Es gefällt nur den Menschen, es zu verzerren! Dann kann man in das Glashaus gehen«, fährt Oblomow fort, sich selbst an dem beschriebenen Ideal des Glückes berauschend.
    Er entnahm seiner Phantasie die fertigen, längst entworfenen Bilder und sprach darum voll Begeisterung und ohne sich zu unterbrechen.
    »Wir schauen uns die Pfirsiche und Weintrauben an«, sprach er, »geben an, was bei Tische aufzutragen ist, kehren dann zurück, nehmen ein leichtes Frühstück ein und erwarten die Gäste ... Und unterdessen bekommt die Frau ein Briefchen von irgendeiner Marja Pjetrowna mit beigelegten Noten oder einem Buch, es wird eine Ananas zum Geschenk geschickt oder es ist in meinem Glashaus eine riesengroße Melone gereift, die wir einem guten Freund für morgen zum Mittagessen schicken, und wir fahren auch selbst hin ... Und in der Küche sind unterdessen alle Hände beschäftigt. Der Koch rennt in der schneeweißen Schürze und Mütze hin und her; er stellt eine Pfanne hin und nimmt eine andere vom Feuer, hier rührt er etwas, dort knetet er den Teig und schüttet das Wasser aus ... Die Messer sind in immerwährender Bewegung ... Das Gemüse wird zerhackt ... Dort wird die Eismaschine gedreht ... Es ist angenehm, vor dem Essen in die Küche hineinzublicken, eine Pfanne zu öffnen und zu riechen, zuzuschauen, wie die Pirogen zusammengerollt werden und wie der Rahmschaum

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