Oblomow
– und er ist furchtbar aufgeregt. Hier baut man einen Kanal, dort hat man ein Regiment nach dem Osten geschickt; o Gott, es wird Sturm geläutet! Er ist außer sich, rennt und schreit, als hätte das Regiment es auf ihn abgesehen. Sie räsonieren und überlegen sich die Sache nach allen Richtungen hin und langweilen sich dabei – denn es interessiert sie gar nicht; durch all das Geschrei hindurch sieht man ihren Geist schlafen! Es ist ihnen fremd; sie gehen nicht in ihrem eigenen Hut. Sie haben keine Beschäftigung, darum stürzen sie sich nach allen Richtungen hin, ohne irgendein Ziel zu haben. Obwohl sie alles umfassen wollen, bergen sie nichts als Leere und Mangel an Sympathie allem gegenüber in sich! Sich einen bescheidenen Pfad der Arbeit zu wählen und ihn zu verfolgen, eine tiefe Spur zu hinterlassen, das ist langweilig und nicht genug sichtbar; dort hilft das Allwissen nicht und man kann niemand etwas vormachen ...«
»Nun, du und ich haben uns nicht nach allen Seiten weggeworfen. Wo ist denn unser bescheidener Weg der Arbeit?« fragte Stolz.
Oblomow schwieg plötzlich.
»Ich muß doch zuerst ... den Plan fertig machen ...« sagte er. »Lassen wir sie!« fügte er dann ärgerlich hinzu, »ich rühre sie nicht an, ich suche nichts; ich sehe das alles nur nicht als ein normales Leben an. Nein, das ist kein Leben, das ist eine Verzerrung der Norm, des Lebensideals, auf das die Natur den Menschen hingewiesen hat ...«
»Was ist denn das für ein Ideal, für eine Norm des Lebens?«
Oblomow antwortete nicht.
»Nun, sage mir, wie würdest du dir dein Leben einrichten?« fragte Stolz weiter.
»Ich habe es mir schon klargemacht.«
»Wie denn? Erzähle mir, bitte ...«
»Wie?« sagte Oblomow, sich auf den Rücken umwendend und auf die Decke schauend, »ja wie! Vor allem würde ich aufs Gut fahren.«
»Was hindert dich denn daran?«
»Der Plan ist nicht fertig. Dann würde ich nicht allein, sondern mit meiner Frau hinfahren ...«
»Ah, so ist die Sache! Nun, nur zu. Worauf wartest du denn? Noch drei, vier Jahre, und dich nimmt keine mehr ...«
»Was soll man tun, es ist mir wohl nicht beschieden!« sagte Oblomow seufzend, »mein Vermögen erlaubt es mir nicht.«
»Aber ich bitte dich, und Oblomowka? Dreihundert Seelen!«
»Ist denn das genug, um mit einer Frau zu leben?«
»Was braucht man, um zu zweit zu leben?«
»Und wenn Kinder kommen?«
»Du wirst die Kinder so erziehen, daß sie sich selbst alles verschaffen werden; du mußt nur verstehen, sie zu leiten ...«
»Nein, warum soll man aus Edelleuten Handwerker machen?« unterbrach Oblomow trocken. »Und wie soll man auch zu zweit, ohne Kinder, damit auskommen? Es heißt nur so, zu zweit mit der Frau, in Wirklichkeit aber kommen, sobald man heiratet, von allen Seiten allerlei Frauenzimmer ins Haus. Blicke in jede beliebige Familie hinein; das sind weder Verwandte noch Wirtschafterinnen; wenn sie nicht im Hause leben, kommen sie täglich Kaffee trinken und Mittag essen ... Wie soll man wohl mit dreihundert Seelen ein solches Pensionat erhalten?«
»Nun gut, nehmen wir an, man hätte dir noch dreihunderttausend geschenkt, was würdest du dann tun?« fragte Stolz, der sehr neugierig geworden war.
»Ich würde das Geld gleich in die Bank tragen«, sagte Oblomow, »und von den Prozenten leben.«
»Dort bekommt man wenig ausgezahlt; warum würdest du das Geld nicht in irgendeinem Unternehmen, zum Beispiel in dem unsrigen, anlegen?«
»Nein, Andrej, ich lasse mich nicht anschmieren.«
»Wie, du würdest es auch mir nicht anvertrauen?«
»Um keinen Preis; es handelt sich ja nicht um dich, aber was kann nicht alles vorkommen; und wenn die Sache kracht, dann sitze ich ohne eine Kopeke da. In einer Bank ist das ganz anders.«
»Nun gut, was würdest du also tun?«
»Ich würde in mein neues, bequem eingerichtetes Haus fahren ... In der Umgegend würden liebe Nachbarn leben, zum Beispiel du ... Aber du kannst ja nicht an einem Orte bleiben ...«
»Und würdest du immer dort bleiben? Du würdest nirgends hinfahren?«
»Nirgends.«
»Warum bemüht man sich denn überall Eisenbahnen und Dampfschiffe zu bauen, wenn das Ideal des Lebens darin besteht, an einem Ort zu sitzen? Wollen wir ein Gesuch einreichen, daß nicht weiter gearbeitet wird; wir fahren ja doch nicht, Ilja!«
»Es gibt aber auch außer uns genug Leute; gibt es denn wenige Verwalter, Kaufleute, Beamte, unbeschäftigte Reisende, die kein Heim haben? Die sollen nur fahren!«
»Und wer
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