Obsession (German Edition)
ich mir ganz sicher bin, nun ein Bild – wenigstens ihr Gesicht – zu bekommen, weil Brix mir ihr Aussehen beschreibt, bleibe ich ohne Ergebnis, denn ich kann mir ihr Gesicht nicht vorstellen, und es ist auch total schwer zu beschreiben, scheint mir. Das einzige Gefühl, das mir nach einer geschlagenen Stunde voller glückloser Versuche übrig bleibt, ist die Emotion, es sei alles in Ordnung, ich müsste mir absolut keine Sorgen machen, und ich erhalte witzigerweise den Eindruck von einer grünen Wiese mit blauem Himmel, gelber Sonne und braunen Vögeln in der Luft neben weißen Wölkchen. Sommeridylle halt. Dafür bin ich jetzt total geschlaucht, und so bin ich echt dankbar, dass Fabrice und Brix kochen wollen, wobei ich hoffe, dass Fabrice Brix beim Kochen ein wenig auf die Finger schaut statt nur auf den Schritt. Ich finde jedenfalls, dass es Zeit für ein Schläfchen wird, und genau das genehmige ich mir jetzt – auf dem Kuschelsofa!
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Shahin
Nach dem Essen, das ausgezeichnet war, auch wenn oder wahrscheinlich, weil Brix nur bei Fabrice zugeschaut hat, spielen Fabrice und Brix mit der Playstation irgendein Ballerspiel. Sie schaffen mir damit Zeit, nachzudenken. Das tue ich – in der Badewanne. Und das ist auch bitter nötig, denn meine Informationen über die »Kinder der Isis« sind mehr als dürftig. Ich weiß, beziehungsweise eigentlich vermute ich es nur, dass die »Kinder der Isis« hinter all diesen Morden stehen ... ich weiß aber über diesen Verein eigentlich nur das, was Brix mir erzählt hat: dass eine alternde Drag Queen namens »Mutter« diesen Verein – zumindest in Berlin – führt. Dass es eine alte Villa in Dahlem gibt, in dem das Ganze residiert, mit einer parkähnlichen Anlage drum herum, einem großen Eisentor, hohen Mauern, einem Raum oder Saal, über dem »Tempel« geschrieben steht, und einem Keller, in dem diese »Mutter« wohl ihr Büro oder was auch immer hat. Ach ja, und dass Carlos Alfaya versucht hat, mich zum Glauben an Seth zu bekehren.
Wie auch immer, bei meinen Internetrecherchen habe ich erfahren, dass die »Kinder der Isis« wohl eine international operierende Sekte sind. Chris und Damian, die beiden Typen, die Brix seinerzeit abgeschleppt hatte und die ihn sozusagen angeworben hatten, um ihm zu helfen, den Grund für seine ständigen Träume – die inzwischen fast völlig verschwunden sind – herauszufinden, trugen ebenfalls diese Tattoos ... beziehungsweise ähnliche, die aber zusammengesetzt, das heißt, in einer ganz bestimmten Stellung zusammen- oder nebeneinander gehalten, wiederum ein neues, mystisches Symbol ergeben. Und so ist es auch mit diesem hier, das Katrin mir aufgezeichnet hat. Es ist nämlich ein Teil des Sandschlittens, genauer gesagt, die symbolistische Darstellung eines Teils des Gefährts von Seth, nämlich die verschnörkelt dargestellte, von Hyänen, die Magie beherrschen, gezogene Zugstange und die Zügel dazu.
Höchstwahrscheinlich hat der bevorzugte Partner des Trägers das Heck und die Standfläche des Sandschlittens auf einem Körperteil, der Schulter oder Hüfte. Da die »Kinder der Isis« ein Orden für schwule Männer sind, ist des weiteren zu vermuten, dass zumindest ein gewisser Teil der Gay-Community in den Städten, in denen die »Kinder der Isis« aktiv sind, ebenfalls im Bereich Magie, Okkultismus oder Esoterik agieren. Eigentlich hatte ich den Behauptungen dieser Organisation, weltweit zu agieren, keinen großen Glauben geschenkt, aber offensichtlich habe ich mich getäuscht. »Kinder der Isis« auch in Frankfurt? Es scheint so, aber wo?
Im Telefonbuch finde ich sie nicht, im Gegensatz zu Berlin. Die Internetseite ist, wenn man dem Text darauf Glauben schenken kann, zurzeit unter Bearbeitung, und andere Möglichkeiten fallen mir nicht ein. Und ich kann ja wohl schlecht Carlos Alfaya anrufen, und ihn bitten, mir die Nummer des für Frankfurt zuständigen Hohepriesters zu geben, nachdem er uns Schläger und gedungene Mörder auf den Hals geschickt hat!
Wenn es sich um die »Kinder der Isis« handelt, dann haben wir ein Problem, das ist mir sofort klar. Denn ich kann mich noch ziemlich genau an die Abgründe erinnern, die ich einmal in Carlos’ Seele sehen konnte. Es hat sehr lange gedauert, bis ich diesen Schmutz, diesen Schleim, diese Mordlust um der Pein des Opfers willens vergessen konnte – aber es würde dann zumindest die Qualen der Getöteten erklären. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Carlos auch in
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