Obsession (German Edition)
erzählt mir von ihrer Scheidung und davon, dass ihre Kinder – sie hat drei Stück – jetzt bei ihrer Schwester leben, die einen Bauernhof im Spessart hat. Weil das Landleben besser ist für die Kinder, und weil sie durch ihre Arbeit nicht so viel Zeit für die Kinder hat, wie sie gerne möchte, im Gegensatz zu ihrer Schwester. Dabei sieht sie fast schon traurig aus. Kinder, na gut, man kann getrennter Meinung über Kinder sein ... Kinder machen Krach, und so weiter ... und trotzdem ... so ein eigenes Kind wäre auch nicht schlecht. Ich werde Shahin fragen, ob er nicht vielleicht doch eins kriegen kann, denke ich und muss grinsen.
Nora versteht das allerdings falsch, und stockt, kommt ins Stottern, und ihre Stimme wird greller.
»Nora«, beruhige ich sie, »Mir ist nur gerade was eingefallen.« Ich lasse sie besser weitererzählen.
Sie ist übrigens Museumsdirektorin am Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum in Frankfurt, hat Archäologie und Ägyptologie studiert und ist totale Verfechterin der Natur, aber nicht im Sinne der Umweltfans, Ökologen oder Naturschützer, sondern im Sinne von »Eins sein mit der Natur«. Die Tatsache, dass Nora nach eigener Aussage eine »Hexe« ist, trägt nicht gerade dazu bei, dass ich ihr glaube. Die Frau hat doch einen Sprung in der Schüssel! Eine Hexe. Sie. Klar.
»Hexen reiten auf Besen und haben einen spitzen Hut«, werfe ich ein und lache dabei leise.
»Mein Lieber«, sie ist plötzlich ganz ruhig und klingt, wenn meine Intuition nicht lügt, verdammt gefährlich und keinesfalls zu unterschätzen, auch wenn sie ihren Plauderton dabei nicht ablegt. »Das mit dem Besen ist eine Fabel, und meinen spitzen Hut kann ich dir zeigen, soll ich?«
Ich zucke mit den Schultern. »Klar, wenn du willst?«, sage ich, weil ich nicht weiß, wie ich reagieren soll. Für einen Moment bin ich völlig irritiert, weil ich sehe ... also, ich weiß es intuitiv einfach – dass sie recht hat. Auf jeden Fall ist sie nicht normal, was auch immer man darunter verstehen kann.
»Der Mann, mit dem du lebst«, fährt sie in unverbindlichem, ruhigen Ton fort, »... ist offensichtlich ebenfalls magisch begabt. Auch wenn seine Ausrichtung nicht die Meinige ist, weswegen er und ich uns vermutlich nie so richtig verstehen werden, so kämpft er doch für die gleiche Seite, nämlich für das Gute. Außerdem ist er ein ganz Lieber. Du hast Glück gehabt.«
»Und ich?« Ich weiß nicht, wieso, aber diese Frage platzt aus mir heraus, ohne dass ich etwas dagegen tun kann.
Nora lächelt tiefgründig und mustert mich für einen Moment. »Deine Talente sind vielschichtiger. Sie sind genauso früh geweckt worden wie bei deinem Freund, aber während er den Göttern dient – vielleicht weiß er es, vielleicht auch nicht –, diene ich der Welt an sich, also der Mutter Erde. Dem Feuer, dem Wasser, der Luft und dem Geist als die fünf Elemente dieser Welt. Du gehst meinen Weg, zumindest hast du seit frühester Kindheit die Anlagen dazu und eine entsprechende Erziehung genossen.« – Meine Tante, fällt mir siedendheiß wieder ein. Meine Tante hatte genau die gleiche gepflegte Unordnung und genauso viel Krimskrams, Steinfigürchen und Statuen wie diese Nora. – »Ich denke, alleine die Tatsache, dass du mit diesem Mann lebst, wird dich auf Dauer offener für diese Dinge und damit auch angreifbarer für gewisse Feinde machen. Aber du hast in ihm auf jeden Fall einen guten Beschützer – und in uns, den Streitern für das Gute, fähige Hilfe, wenn es denn nötig werden sollte.« Sie lächelt mir total freundlich und offen zu, und ich bin mir plötzlich sicher, dass sie recht hat. Sie ist eine Hexe.
Wir reden noch eine Weile belangloses Zeug, und dann beschließe ich, dass ich doch lieber gehen möchte. Wir tauschen Telefonnummern aus, denn auch wenn ich verwirrt bin und mir die ganze Sache noch viel zu strange vorkommt, so glaube ich nicht an den Zufall, und ich möchte gerne Shahin dazu befragen und außerdem würde ich das Gespräch gerne fortsetzen und überhaupt ... ich weiß nicht. Ich gehe, rufe mir vom Handy aus ein Taxi, fahre nach Hause und warte auf Shahin. Im Wohnzimmer stehen ein Rucksack und eine Sporttasche, Sachen von Fabrice, nehme ich an, der gerade in unserer Riesenbadewanne – auch in Frankfurt hat Shahin darauf bestanden, eine Badewanne mit Whirlpoolfunktion und entsprechenden Dimensionen einbauen zu lassen – ein Bad nimmt. Er erzählt mir von dem komischen Typen, der bei ihm war, aber
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