Obsession
finden
wollen, oder?»
«Ach so, richtig.» Während der Mann ihn seelenruhig musterte, versuchte Ben verzweifelt, einen klaren Gedanken zu fassen.
«Das steht noch nicht fest.»
Quilley nickte lächelnd.
«Ich stehe noch ganz am Anfang», fuhr Ben fort.
Halt den
Mund.
Mit seinem starren Lächeln betrachtete der Detektiv ihn noch eine Weile, dann fragte er nach Bens Adresse und Telefonnummer.
Er legte seinen Stift auf das Formular.
«Gut, ich denke, das ist im Moment alles, was ich wissen muss. Ich kann nicht genau sagen, wie lange es dauern |83| wird, aber bis Ende nächster Woche müsste ich etwas für Sie haben. Noch irgendwelche Fragen?»
«Ich denke nicht.» Ben wollte einfach raus aus dem heißen, stickigen Büro. Er war sich sicher, dass ihm seine Lügen ins Gesicht
geschrieben standen. Der Detektiv hob seine Augenbrauen.
«Wollen Sie nicht einmal wissen, was Sie diese Sache kosten wird?»
Mit einem unguten Gefühl sagte Ben, er wolle es. Der Detektiv unterrichtete ihn über seinen Tagessatz, der erstaunlich gering
erschien. Ben stimmte zu und schob den Stuhl zurück, um aufzustehen.
«Ach, eine Sache noch», sagte Quilley mit dem Stift in der Hand. «Welchen Beruf üben Sie aus?»
«Fotograf.»
«Tatsächlich?» Der Detektiv setzte wieder sein unangenehmes Lächeln auf. «Ziemlich ungewöhnlich, dass ein Fotograf Bücher
schreibt, oder?»
Du verdammter Schnüffler.
Ben starrte ihn kalt an. «Es wird vor allem ein Fotoband.»
«Ach.»
«Brauchen Sie Referenzen?»
Quilley lachte gelassen in sich hinein. «Nein, das ist nicht nötig. Ich habe nur gerne eine gewisse Ahnung von meinen Klienten.»
Er kam um den Schreibtisch herum und öffnete die Tür für Ben. «Überlassen Sie die Sache mir, Mr. Murray. Ich melde mich.»
Er schüttelte wieder Bens Hand. Aus der Nähe roch sein Atem nach Kaffee und Zigaretten. Sein Lächeln gab keinen Aufschluss
über seine Gedanken, als Ben hinausging. «Und viel Glück mit dem Buch.»
|84| Durch die Kamera sah die Welt klarer und einfacher aus. Die Realität war durch die Membran aus Linse, Filter, Blende und Sucher
auf kleine, handliche und vom Drücken des Auslösers ausgewählte Zeitfragmente reduziert. Ben fand es angenehm, die Welt bis
auf ein von der Dunkelheit gerahmtes Lichtfeld ausschließen zu können. Und diesen Ausschnitt konnte er manipulieren und bevor,
während und sogar nachdem er ihn festgehalten hatte, zu dem machen, was er wollte.
Es war beruhigend zu wissen, dass es noch etwas gab, worüber er die Kontrolle hatte.
Als er im zweiten Jahr seines Kunststudiums begann, sich für die Fotografie zu interessieren, hatte ihm vor allem die scheinbare
Objektivität daran gefallen. Damals verstand er die Kamera als ein Medium, mit dem man ein Objekt ohne die verzerrende Wahrnehmung
eines Künstlers darstellen konnte. Er glaubte, dass er mit der Kamera wahrhaftigere und unverfälschtere Bilder erzeugen konnte
als mit Pinsel und Leinwand. Selbst als er kommerzielle Aufträge angenommen und aktiv gesucht hatte, redete er sich noch ein,
dass es sich dabei um eine völlig andere und lediglich aus der finanziellen Not geborene Arbeit handelte, die nichts mit dem
zu tun hatte, was er sonst zu erschaffen versuchte. Die Ernüchterung kam erst mit der Feststellung, dass er die dabei erlernten
Techniken auch bei anderen Aufnahmen anwandte und es ihm nicht mehr darum ging, einen Moment einzufangen, sondern das Beste
aus ihm herauszuholen, wie bei seinen Fotomodellen. Erschüttert hatte er feststellen müssen, dass er seinen eigenen Idealen
untreu geworden war. Angesichts der Arbeiten, die er bis dahin geschaffen hatte, war ihm plötzlich klargeworden, dass die
Fotografie genauso subjektiv war wie die Malerei. Was er für Objektivität gehalten hatte, war lediglich eine andere Form der
Manipulation. Seine Fotografien |85| waren weder wahrhaftig, noch enthüllten sie die Realität, wie er einst glaubte, sie verzerrten sie nur auf eine subtilere
Art und Weise.
Voller Abscheu war Ben damals kurz davor gewesen, all seine Aufnahmen wegzuwerfen. Am Ende hatte er es nicht getan. Und es
blieb ihm kaum Zeit, lange über sein Scheitern nachzugrübeln. Ironischerweise und wie als Kompensation hatte die kommerzielle
Seite seiner Arbeit gleich darauf neuen Auftrieb bekommen, und er nahm Aufträge und Honorare dankbar entgegen. Wenn er schon
nicht das erreichen konnte, was er sich einmal vorgestellt hatte, so
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