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Obsession

Titel: Obsession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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griff
     dann nach dem Hörer. Zum Teufel damit. Nervös wählte er die Nummer des Detektivs. Das Telefon klingelte viermal, dann meldete
     sich eine Stimme vom Band. Ben schaute ungläubig auf seine Uhr. Er wartete in der Hoffnung, dass jemand am anderen Ende abhob,
     aber vergeblich. Er knallte den Hörer auf.
    «Großartig!» Er schlug gegen die Wand. «Fünf nach fünf, und die haben Feierabend gemacht! Wunderbar!»
    Er schlug noch einmal gegen die Wand, härter dieses Mal, und trat gegen die nächste Tür. Sie schwang mit einem Knall zurück.
     Als Ben sich umdrehte, um zu schauen, woran er seinen Ärger noch auslassen konnte, sah er Jacob genau an der Stelle im Flur
     stehen, wo er ihn allein gelassen hatte.
    Der Junge hatte die Hände auf die Ohren gepresst und schaukelte hin und her.
Fang jetzt nicht damit an!
«Alles in Ordnung, Jacob, ich habe nur Blödsinn gemacht.»
    «Kein Krach! Kein Krach!»
    |91| Ben fuhr sich mit einer Hand über den Kopf. Die Stoppeln überraschten ihn immer noch. «Okay, okay, kein Krach. Ich habe aufgehört.»
    «Kein Krach!»
    «Ich sagte okay!»
    Der Schrei schmerzte ihn in der Brust. Er schaute hinab auf seine geballten Fäuste und zwang sich, sie zu öffnen. Jacob war
     still, aber sein Schaukeln war noch schlimmer geworden. Obwohl er den Kopf gesenkt hatte, konnte Ben seine leiderfüllte Miene
     sehen.
    Die Wut verließ ihn. «O Gott, es tut mir leid, Jacob.» Er ging hinüber und kniete sich vor den Jungen. «Alles in Ordnung,
     du musst keine Angst haben.»
    Jacob schüttelte heftig den Kopf. «Nicht du», jammerte er. «Nicht du, nicht du, nicht du.»
    Ben streckte seine Hand aus, doch Jacob stieß ihn weg. «Mami, Mami.»
    O Gott.
«Mami kann nicht, Jacob. Mami ist nicht hier.»
    «Mami, Mami!» Jetzt weinte der Junge, und Ben wusste, dass es alles schlimmer machte, weil Jacob nicht verstand, was Tränen
     waren, und Angst vor ihnen hatte. Und Ben spürte, wie er selbst die Kontrolle zu verlieren begann. Er zog den kleinen Körper
     an sich und hielt ihn ungeachtet seines Widerstrebens fest, bis seine eigenen Tränen auf die Rückseite von Jacobs Hemd tropften.
     Er kniff seine Augen zusammen. «Alles in Ordnung, alles in Ordnung, alles in Ordnung», sagte er immer wieder, und obwohl er
     wusste, dass es nicht stimmte, dass nichts in Ordnung war, wiederholte er die Worte so lange, bis er spürte, wie sich der
     Körper des Jungen entspannte.
    Er hielt ihn noch etwas länger, trocknete dann seine Augen, so gut er konnte, und setzte sich in die Hocke. Jacobs Gesicht |92| war vom Weinen ganz rot, seine langen Wimpern glänzten. Das Kinn hatte er noch immer auf die Brust gesenkt, aber Ben wusste,
     dass das Schlimmste vorbei war. Er strich über die Wangen des Jungen und wischte die Tränen weg.
    «Na also. Schon besser.»
    Jacob schaute auf. Er streckte seine Hand aus, berührte vorsichtig Bens Wange und dann seine eigene. Er betrachtete seine
     Finger. «Nass.»
    Ben lachte gerührt auf. «Ja, das stimmt. Wir sind beide nass.» Er stand auf und hob Jacob auf den Arm. «Komm, wir machen uns
     einen Tee.»
     
    Danach hatte Ben das Gefühl, in eine Luftblase voll Ruhe geraten zu sein. Ihm war, als hätte er ein hohes Fieber überwunden,
     das ihn ausgelaugt, aber im Stadium eines zerbrechlichen Friedens zurückgelassen hatte. Die Tatsache, dass er noch nichts
     von dem Detektiv gehört hatte, zermürbte ihn nicht mehr. Dabei klammerte er sich nicht an falsche Hoffnungen, er hatte einfach
     das Gefühl, dass er später noch genug Zeit haben würde, sich mit den Ermittlungen und ihren Konsequenzen auseinanderzusetzen.
     Im Moment schien allein das Wochenende zu existieren, und er nahm den Aufschub dankbar hin, umso mehr, da ihm bewusst war,
     dass es tatsächlich nur ein Aufschub war.
    Der durch Sarahs Abwesenheit verursachte Schmerz war noch da, jetzt war er aber immerhin ungetrübt von Groll und Wut ihr gegenüber,
     Gefühle, die ihm erst bewusst wurden, nachdem sie verschwunden waren. Seine Trauer hatte kein bisschen an Heftigkeit verloren,
     aber er fand sich lieber damit ab, als den rasenden und verstörenden Zorn hinzunehmen, der alles in Frage zu stellen schien,
     was ihn und Sarah zuvor ausgemacht hatte. Was sie auch getan haben mochte, |93| er liebte und vermisste sie noch immer. Das zu erkennen war beinahe eine Erleichterung.
    Am Samstag ging er mit Jacob schwimmen. Man konnte nie wissen, welche Aktivitäten ihm gefallen würden und welche ihm entweder
     gleichgültig

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