Obsession
nach Hause.
Das war das Leben von Cole und Jacob, das sich hinter dem Haus abspielte. Abgesehen von den Wochenenden begann es erst am
Abend.
Während des Tages gehörte das Haus Sandra Cole.
Weder Freunde noch Nachbarn kamen vorbei, und wenn der Mann, den er aus dem Garten hatte schleichen sehen, sie erneut besucht
hatte, dann zu einer Zeit, als Ben nicht dort war. Außer das Geschirr zu spülen und das Bett zu machen, tat sie selten etwas
im Haushalt. Die meiste Zeit verbrachte sie in der Küche, trank Kaffee (löslichen, mit Milch und Zucker) oder saß einfach
nur am Tisch, rauchte und starrte ins Leere. Der Höhepunkt ihres Tages ereignete sich gegen halb zwölf, wenn sie zur Arbeit
ging.
Und manchmal zog sie sich im Schlafzimmer an.
Als es das erste Mal geschah, hatte Ben vermutet, dass sie sich für die Arbeit fertig machen wollte, nachdem sie die Zigarette
ausgedrückt und die Küche verlassen hatte. Bei seinen früheren Beobachtungen war dies das Signal gewesen, dass kurz darauf
das Licht im Bad anging und sie zwanzig Minuten später komplett angezogen wieder erschien, mit nassem Haar, das sie mit einem
Föhn neben der Spüle trocknete. An diesem Morgen war sie jedoch direkt ins Schlafzimmer gegangen. Er wartete darauf, dass
sie ihre Sachen zusammensammelte und hinausging. Stattdessen schlüpfte sie aus ihrem Bademantel und warf ihn aufs Bett.
Die Reflexion auf der Fensterscheibe schränkte seine Sicht ein, er konnte sie aber deutlich genug erkennen, um zu sehen, dass
sie darunter nackt war.
|220| Sie ging durch das Zimmer und nahm etwas von der Frisierkommode. Ein Deodorant. Als sie es unter den Achseln verteilte, hoben
sich ihre Brüste und wackelten bei der energischen Bewegung. Sie waren groß, ohne zu hängen, und hatten kleine, sehr dunkle
Warzen. Ihr Bauch war flach und hatte schmale Striemen, wie er sah, als sie näher ans Fenster trat, die wahrscheinlich von
den Falten des Bademantels herrührten. Darunter strafte der rasierte schwarze Streifen ihrer Scham das gebleichte Haar Lügen.
Ben hatte zugeschaut, wie sie BH und Slip, einen kurzen Rock und Bluse anzog. Dann war sie hinausgegangen, und während er
wartete, dass sie zurückkehrte, zwitscherte plötzlich ein Vogel in den Zweigen über seinem Kopf.
Er schreckte von der Kamera zurück und lachte dann leise und nervös auf.
Scheiße.
Er wollte gerade wieder durch den Sucher schauen, als er innehielt.
Was mache ich hier eigentlich?
Es gab keine Entschuldigung dafür, sie auszuspionieren, wenn sie sich gerade anzog. Deswegen war er nicht dort. Aber noch
während er sich das sagte, spürte er, wie sich seine Brust vor Aufregung zusammenschnürte.
Er wusste nicht einmal, warum. Sandra Cole war kaum etwas Besonderes, und der Anblick nackter Körper war in seiner Branche
nicht ungewöhnlich. Ganz selbstverständlich zogen sich Models vor ihm um, ohne dass er oder sie sich etwas dabei dachten.
Aber sie wussten, dass er da war.
Murray, du alter Spanner, dachte er, aber ihm war nicht zum Lachen zumute. Trotzdem ging er weiterhin in den Wald hinter dem
Haus. Und trotzdem beobachtete er weiterhin Sandra Cole.
Sie stellte ihn vor ein Rätsel. Bei allem, was sie tat, war |221| ihr deutlich anzusehen, wie gelangweilt und unzufrieden sie war. Sie und Cole schienen so gut wie nie miteinander zu sprechen.
Jacob wurde von ihr entweder mit Gleichgültigkeit oder kaum unterdrückter Verärgerung behandelt. Wenn Ben seine Beobachtung
des Mannes, der aus dem Haus geschlichen war, nicht völlig falsch interpretiert hatte, war sie zudem untreu. Dennoch hatte
sie Cole dabei geholfen, seinen Sohn zurückzubekommen, und für ihn gelogen.
Und sie log weiter für ihn.
Eine Woche vor seinem nächsten Kontakttermin war in letzter Minute eine Aufnahmesession abgesagt worden. Den Abend davor war
Ben mit ein paar Leuten von einer Werbeagentur ausgegangen, was er am nächsten Tag auf dem Weg ins Atelier bereute. Eigentlich
hatten sie nur ein schnelles Bier nach Feierabend trinken wollen, doch bald folgte eine Runde auf die andere. Irgendwann waren
sie in ein libanesisches Restaurant getorkelt, weil einer von ihnen behauptete, dass man für die
Mezze
dort sterben könne. Ben war nicht besonders scharf auf die orientalische Küche, ließ sich aber von den anderen mitziehen.
Sonst hätte auch nur das leere Haus auf ihn gewartet.
Eine Kellnerin, die völlig unbeeindruckt von ihrem kindischen Geschrei war, führte sie
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