Obsession
vorsichtiger. «Ich habe es schon dem Sozialarbeiter gesagt: Sie kamen zu spät und waren
betrunken. Sie waren nicht in der Lage, ihn zu nehmen.»
«Ich war pünktlich und stocknüchtern, und Ihr Mann hat mich bedroht. Sie waren dabei, Sie wissen es genau.» Er zügelte sein
Temperament. «Lassen Sie mich Jacob am Sonntag sehen oder nicht?»
Einen Moment herrschte Stille. Er konnte sehen, wie sie auf ihrer Lippe kaute. «Er hat eine Erkältung.»
«Eine Erkältung?»
«Ja, genau, eine Erkältung. Vielleicht sogar eine Grippe. Sie wissen, was eine Grippe ist, oder?»
«Sie wollen mir also sagen, dass ich ihn nicht sehen kann?»
«Wie gesagt, es geht ihm nicht gut. Er ist im Bett.»
Am Abend zuvor hatte er Jacob im Garten beobachtet. Da hatte er nicht so ausgesehen, als wäre er erkältet. «Haben Sie einen
Arzt gerufen?»
Sie zog ein letztes Mal an ihrer Zigarette, drehte sich um und drückte sie in irgendetwas hinter ihr aus. «Noch nicht. Wir
wollen erst mal sehen, wie es sich entwickelt.»
Sie lehnte an der Wand und hatte ihm den Rücken zugewandt.
Dreh dich um.
«Was?», fragte sie.
Ihm wurde klar, dass er die Worte laut gemurmelt hatte. Aber sie wandte sich tatsächlich zum Fenster um. Sie hatte den Ellbogen
des Arms, der den Hörer hielt, in die andere Hand gestützt, und er konnte sehen, wie sie die Stirn runzelte.
|228| «Nichts», sagte er. «Also, wann kann ich ihn sehen?»
«Woher soll ich das wissen? Ich bin kein Hellseher. Man weiß nie, wie lange Kinder etwas haben, oder?»
Ben schluckte seine Wut herunter. «Vielleicht sollte ich mit Ihrem Mann sprechen.»
Sie schaute aus dem Fenster. Auf den Schrotthaufen. «Er ist auf Arbeit.»
Ich weiß.
«Dann rufe ich an, wenn er zurückkommt.»
«Er arbeitet bis spät», sagte sie, und Ben wusste, dass er gerade jede Chance vertan hatte, Cole ans Telefon zu bekommen.
Sie würde in Zukunft dafür sorgen, dass sie als Erste heranging.
Dennoch war es merkwürdig, dass er ihr gegenüber im Grunde nicht feindselig gestimmt war. Er schaute sie an, wie sie mit nackten
Beinen in ihrem kurzen Bademantel dastand. Sie verdrehte die Telefonschnur, während sie darauf wartete, dass er etwas sagte,
ohne sich seiner Blicke bewusst zu sein.
«Sind Sie noch da?», fragte sie.
«Ja.»
Es entstand eine Pause. Sie lächelte beinahe, während sie auf ihren Daumennagel biss. Er fragte sich, warum sie nicht auflegte.
Und vor allem, warum er es nicht tat.
«Wollten Sie sonst noch was?», fragte sie. Obwohl ihre Stimme unverkennbar spöttisch klang, schien sie einen flirtenden Unterton
zu haben. Das berauschende Gefühl, dass er einen Moment zuvor gehabt hatte, wich einer Unsicherheit.
«Ich glaube nicht.»
Hatte sie gelacht? «Dann verpissen Sie sich», sagte sie und legte auf.
Er stoppte den Kassettenrecorder, spulte ein Stückchen zurück und spielte dann das Band ab. Ihr abschließendes |229| «verpissen Sie sich» klang verächtlicher denn je. Es war ein seltsames Verständnis von Treue, das sie mit einem anderen Mann
schlafen und dennoch Cole in Schutz nehmen ließ. Aber obwohl Ben mit der Aufnahme nichts anfangen konnte, war er keineswegs
enttäuscht. Er steckte den Recorder und das Mikrophon weg und schaltete sein Handy aus, damit ihn niemand anrief, während
er im Wald war. Als er wieder zum Haus schaute, war die Küche leer und das Licht im Bad an.
Er blies in seine Hände. Es war bitterkalt. Er nahm die Thermoskanne aus seiner Tasche und schenkte sich einen Becher Kaffee
ein. Er hatte ihn vorsorglich gemacht, für den Fall, dass die Aufnahmen im Atelier früh beendet wären und er nach Tunford
fahren konnte, bevor es dunkel wurde. Jetzt war er froh darüber. Durch den vom Plastikbecher aufsteigenden Dampf sah er Sandra
Cole in den Garten gehen. Er griff in seine Tasche und suchte einen Mars-Riegel. Als er das nächste Mal hinunterschaute, kehrte
sie gerade vom Zaun am äußersten Ende des Gartens zurück.
Er blies auf den Kaffee und fegte den Dampf davon. Als er einen Schluck trank, zuckte er zusammen. Er hatte sich den Mund
verbrannt, die Flüssigkeit lief brühend heiß seine Kehle hinab. Zischend sog er kalte Luft ein, um den Schmerz zu lindern.
Etwas vorsichtiger nahm er einen weiteren Schluck, und als er den Becher senkte, stand ein Mann im Garten der Coles.
«Scheiße», schimpfte Ben und bekleckerte sich mit Kaffee. Er warf den Becher zur Seite und ließ den Mars-Riegel fallen. Als
er durch den Sucher
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