Obsession
Zusammenstößen aufwiesen. Als er über den Haufen schwenkte, wurde ihm zum ersten Mal klar, dass Cole nicht einfach
alte Autoteile sammelte.
Es waren Unfallwracks.
|211| Ben lehnte sich zurück und rieb sich die Augen. Sein Kopf hämmerte heftig. Er fragte sich, ob er zu viel in seine Entdeckung
hineininterpretierte. War es nicht letztlich einerlei? Vielleicht war Cole nicht nur irre, sondern auch morbid veranlagt.
Doch er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass irgendetwas dahintersteckte, was er nur noch nicht verstehen konnte.
Er schaute wieder durch die Kamera. Cole war zurück im Garten. Ben beobachtete, wie er damit fortfuhr, den Schrott umherzutragen,
und die Teile gewissenhaft umstellte und arrangierte, als wäre ihre genaue Position tatsächlich von Bedeutung. Gelegentlich
hielt er inne, um die Wirkung zu betrachten, aber Ben konnte sich keinen Reim darauf machen. Während die Veränderungen für
ihn keinen Sinn ergaben, waren sie doch zu bewusst vorgenommen worden, um wahllos zu sein, so als würde dahinter ein Zweck
stehen, der sich nur dem ehemaligen Soldaten erschloss.
Aber welcher, verdammt?
Die Tür ging auf und Sandra Cole erschien. Sie hatte sich angezogen. Ihr Gesicht war geschminkt, das Haar gekämmt. Ben vermutete,
dass sie zur Nachmittagsschicht in den Pub gehen wollte. Sie schaute von ihrem Mann zu Jacob und sagte etwas. Es war, als
würde er einen Stummfilm sehen. Cole hörte sie offenbar auch nicht, er hatte ihr den Rücken zugekehrt. Sandra starrte ihn
schmallippig an, zeigte ihm den Stinkefinger und stürmte wieder ins Haus. Die Tür fiel hinter ihr zu. Etwas verzögert konnte
er den Knall am Hang hören.
Ben lächelte bedrückt. So sah also ein harmonischer Sonntag bei den Coles aus.
Nachdem sie weg war, brachte Cole zwei Teller mit Sandwiches heraus und gab den kleineren Jacob. Er hockte sich |212| auf den Boden neben den Jungen, dann aßen beide schweigend, soweit Ben es beurteilen konnte. Irgendwann saßen die beiden in
fast identischer Haltung da, der Junge auf dem Autositz, sein Vater auf dem Boden, und kauten unisono. Nachdem er fertig war,
warf Cole seine Reste dem Hund zu, der die ganze Zeit erwartungsvoll neben ihnen gesessen hatte. Jacob machte es ihm nach
und widmete sich dann wieder seinem Spiel, während Cole die Teller hineintrug.
Auch Ben aß seine Sandwiches, während er wartete, dass der Mann zurückkehrte. Jacob blieb im Garten und rührte sich nur einmal,
um gegen die Holzwand des Gartenschuppens zu pinkeln. Ben schüttelte den Kopf. Dieser weitere Beweis für die Laxheit der neuen
Eltern verärgerte ihn.
Es dauerte über eine Stunde, bis Cole wieder in den Garten kam. Ben hatte sich schon gefragt, ob er auch weggegangen war und
Jacob allein zu Hause gelassen hatte. Cole hatte sich umgezogen und trug nun ein gebügeltes T-Shirt und kurze Hosen und begann mit einer Reihe von Dehnübungen. Das Motorenteil, das er über Jacobs Kopf gestemmt hatte, lag
in der Nähe. Ben spürte einen Adrenalinschub. Was nun passieren würde, erhoffte und befürchtete er zugleich.
Doch Cole ignorierte das rohe Metallgewicht. Stattdessen nahm er in jede Hand einen Ziegelstein und begann, sie langsam zu
heben und zu senken. Er ließ seine Arme rotieren und variierte die Bewegungen so, dass alle Muskeln seines Oberkörpers beansprucht
wurden. Die beinahe anmutigen Übungen erinnerten Ben an Tai-Chi. Nur Coles verletztes Bein, das ihn wie ein Holzpfahl an dieselbe
Stelle festnagelte, verdarb den Anblick. Als er die Steine fallen ließ, hatten sich bereits dunkle Schweißflecken auf seinem T-Shirt gebildet. Schwer, aber gleichmäßig atmend ging er zu Jacob und stellte sich hinter den Autositz. Er schaute hinab auf das |213| Geduldspiel, in das sein Sohn vertieft war. Dann bückte er sich und stemmte ohne Vorwarnung den Sitz und Jacob über seinen
Kopf.
Überrascht riss der Junge die Augen auf, aber anstatt in Panik zu geraten, wie Ben erwartet hatte, breitete sich ein entzücktes
Grinsen auf seinem Gesicht aus. Cole hob und senkte den Sitz, während Jacob über ihm Spaß hatte. Ben begann Fotos zu machen,
hörte dann aber auf. Jacob lachte jetzt, und selbst Cole lächelte, als er seinen Sohn mühelos an den ausgestreckten Armen
hielt. Beim Zuschauen überkam Ben das Gefühl, ausgeschlossen zu sein und den Jungen verloren zu haben. Diese beiden lächelnden
Gesichter schienen jeden Grund zunichtezumachen, der ihn hierhergeführt
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