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Obsession

Titel: Obsession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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hätte, hatte er beschlossen, es gut sein zu lassen
     und Feierabend zu machen. Da außer dem Pfarrer niemand über die Schlüssel verfügte, hatte Ben die Ausrüstung entgegen seinen
     Prinzipien unbeaufsichtigt in der Kapelle gelassen, die schweren Holztore abgeschlossen und war zurück ins Hotel gefahren.
    Jetzt bereute er es, die Arbeit in der Nacht abgebrochen zu haben. Die großen Strahler, mit denen sie die Kapelle ausgeleuchtet
     hatten, waren bereits von der Leihfirma abgeholt worden, und ohne sie war es drinnen kalt und feucht. Die beiden mussten beim
     Zusammenräumen die Jacken anbehalten, |236| und ihr Atem zog wie dichte Nebelschwaden durch das dunkle Gemäuer. Er wusste, dass er sich unprofessionell verhalten hatte
     und mit spektakulären Ergebnissen würde aufwarten müssen, wenn er wieder für die Werbeagentur arbeiten wollte.
    Aber vor allem ärgerte er sich über die vergeudete Zeit.
    Er trug den Reflektor hinaus zum Wagen. Zoe hatte den Kofferraum geöffnet und räumte die Taschen mit ihren persönlichen Sachen
     zur Seite, um Platz zu schaffen. Seit neuestem trug sie ihr Haar so blond, dass ihre dunklen Augenbrauen auffallend hervorstachen.
     Als er näher kam, richtete sie sich auf.
    «Was ist denn das hier?»
    Sie hatte die Tasche mit dem Teleobjektiv in der Hand.
    «Ein Objektiv», sagte Ben.
    Zoe schnaubte. «Ja, so was habe ich mir fast gedacht. Ziemlich fettes Teil, oder? Kann ich es mir mal anschauen?»
    Da sie es gewohnt war, mit seinen Kameras und seiner Ausrüstung zu arbeiten, öffnete sie bereits unbekümmert den Reißverschluss.
     «Mein Gott, was ist das für eins, ein Vierhunderter?»
    Er fühlte sich ertappt. «Ein Sechshunderter.»
    «
Sechshundert!
Scheiße, fängst du jetzt mit Astronomie an, oder was?» Sie schaute ihn grinsend an. «Wofür brauchst du so ein Objektiv? Du
     willst doch kein Paparazzo werden, oder?»
    Bens Gesicht glühte. «Ich dachte einfach, ich könnte es brauchen.» Er wusste, dass es kläglich klang und dass es besser gewesen
     wäre, wenn er mit ihr gelacht hätte. Stattdessen nahm er ihr das Objektiv weg und steckte es wieder in die Tasche. «Komm,
     wir haben nicht ewig Zeit. Es gibt noch eine Menge zu tun.»
    |237| Sie starrte ihn an. «Oh, Entschuldigung! Wer hat denn gestern die Scheißfilter vergessen?» Sie stampfte zurück in die Kapelle.
    Das hast du ja großartig hingekriegt, dachte er, als er den Kofferraum schloss.
    Die Rückfahrt nach London verging in angespannter Stille. Ihm war klar, dass er sich entschuldigen sollte, aber er konnte
     sich nicht dazu überwinden. Er sagte sich, dass es keinen Grund gab, verlegen zu sein, dass es schließlich nur ein Objektiv
     war und dass er es ja für einen guten Zweck verwendete. Doch seine Erklärungsversuche kamen ihm verlogen vor. Er hielt vor
     Zoes Wohnung an. Sie stieg ohne ein Wort aus. Mit steinerner Miene riss sie ihre Tasche vom Rücksitz.
    «Bis morgen», sagte er. Sie knallte die Tür zu, ohne zu antworten.
    Scheiße.
Er war kurz davor, ihr hinterherzulaufen, aber als er sie ins Haus gehen sah, lenkte ihn irgendetwas ab. Beim Anblick ihres
     blondierten Haares und der Augenbrauen, die im Gegensatz dazu fast schwarz waren, sah er im Geiste ein Bild der nackten Sandra
     Cole im Schlafzimmer vor sich. Das Zuknallen der Eingangstür nahm er nur entfernt wahr.
    Und als er weiterfuhr, waren die Gedanken an Zoe bereits verflogen.
    Kurz nach der Mittagszeit erreichte er Tunford. Er hatte sich nicht bewusst zu der Fahrt entschieden, aber auch nie in Frage
     gestellt, wohin er fuhr. Er hatte es nur vermieden, über den Grund nachzudenken. Als er an die Abzweigung kam, die zum Wald
     führte, bremste er ab und fuhr dann daran vorbei. Da niemand zu Hause sein würde, wäre es sinnlos, das Haus zu beobachten.
     Jacob war in der Schule, Cole auf dem |238| Schrottplatz und Sandra im Pub. Bei dem letzten Gedanken bekam er einen trockenen Mund, und schließlich musste er sich eingestehen,
     dass er die ganze Zeit gewusst hatte, wohin ihn sein Weg führte.
    Nach einer Weile bog er auf den Parkplatz vor dem Pub.
    Er schaltete den Motor aus, machte aber keine Anstalten auszusteigen.
The Cannon
befand sich an der Straßenecke, nur ein paar hundert Meter vom Haus der Coles entfernt. Es war ein gedrungenes Gebäude aus
     grauen Steinen, das neuer als der Rest der Siedlung war und dennoch zur übelsten Sorte von Architektur der sechziger Jahre
     gehörte. Über der Tür hing ein schlecht gemaltes Schild. Während

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