Occupy Economics
Viele private Initiativen (so die Abbé-Stiftung der Firma Zeiss, Jena) zeugen von einer tiefen Verankerung des Prinzips im damaligen Bewusstsein der verantwortlichen Akteure der Wirtschaft, also auch der Unternehmer. Andere institutionalisierte Erscheinungsformen der betrieblichen Solidarität nach innen sind Betriebsräte und die sogenannte Mitbestimmung.
Die staatliche Solidarität (vertikal und horizontal)
Die Systeme staatlicher Solidarität in der Sozialen Marktwirtschaft existieren in zwei Ausprägungen: Zum einen die direkte vertikale Solidarität in Form von Sozialhilfe und unmittelbarer Sozialfürsorge und anderen Individualsubventionen (Schulen, Wohngeld, BAföG, Kindergeld et cetera), zum anderen die staatliche Organisation horizontaler Solidarsysteme, sozusagen private Zwangssolidarität (Versicherung) unter staatlicher Obhut. Bei den Bismarck’schen Sozialgesetzen (Kranken-, Unfall-, Rentenversicherung) handelt es sich im Prinzip um die Schaffung privater Solidargemeinschaften in Form verbindlicher Versicherungen unter staatlicher Aufsicht und Kontrolle.
Der Staat hatte sich zuvor bis tief ins 19. Jahrhundert aus sozialen Fragen herausgehalten und ihre Lösung den Kirchen und Klöstern überlassen beziehungsweise privater Initiative. Erst das Auftauchen des Sozialismus als Gefahr für die Staatsmacht veranlasste den Preußischen Staat beziehungsweise deren Kanzler Bismarck, sich mit Unterstützung des Reichstages, insbesondere des Zentrums 5 , auf ein Gegenkonzept einzulassen. Ohne dass es den Staat wirklich etwas kostete, nutzte er das Prinzip der Versicherung als Solidargemeinschaft als Selbsthilfesystem für die arbeitende Bevölkerung.
1.2.4 Theorie: Das kollektive Wettbewerbsrecht (Kartellrecht – Kompetitionismus)
Die vierte und vorläufig letzte Sozialidee kann man auch als »-ismus« bezeichnen. Sie hieße, weil der Wettbewerbsgedanke (engl.: Competition) die Grundlage seines Konzepts darstellt, »Kompetitionismus«. Das kollektive Wettbewerbsrecht ist – wie der Sozialismus – aus einem durchaus nicht unberechtigten Sozialneid heraus entstanden, und zwar um 1890 in den USA, niedergelegt im Sherman Antitrust Act, der Grundnorm des sogenannten kollektiven Wettbewerbsrechts, bei uns Kartellrecht genannt. Unser heutiges Kartellrecht müsste eigentlich »Antikartellrecht« heißen, unser Kartellamt »Antikartellamt«. Da die Kaiserzeit und die Weimarer Republik jedoch Perioden waren, in denen Kartelle befürwortet und gefördert wurden, und man sich rechtlich lediglich mit dem Missbrauch von Kartellen beschäftigte, wurde das Kartellrecht lediglich als Regelungsnorm für Verbände verstanden und nicht als Verbotsnorm.
Der Grundgedanke des heutigen Kartellrechts basiert auf der Definition des Begriffs »Wettbewerb« und nicht mehr auf der Vorstellung der Nützlichkeit solidarischer Abreden. Der Wettbewerb ist von den Volkswirten dementsprechend nicht positiv, sondern negativ definiert, als Verbot von Abreden und als Verbot des Missbrauchs von Marktmacht 6 . Die Definition ist damit deckungsgleich mit den gesetzlichen Grundvorschriften des Kartellrechts (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen), in dem vor allem das generelle Verbot von Abreden der Kaufleute untereinander, insbesondere das Verbot von Preisabsprachen, kodiert ist. Damit soll verhindert werden, dass die (vermeintlich sowieso schon reichen) Kaufleute nicht zu hohe oder noch höhere Gewinne machen und diese von der Bevölkerung, vom Verbraucher, insbesondere von den ärmeren Schichten, durch überhöhte Preise aufgebracht werden müssen.
Der Grundgedanke des Kartellrechts ist schon bei Adam Smith angelegt, dem das Getuschel der Kaufleute untereinander »bei allen Gelegenheiten, bei Hochzeiten und anderen Festen« 7 suspekt war. Vom Namen her richtete sich der Sherman Antitrust Act gegen die »Trusts« der amerikanischen Wirtschaft, eine eng gestaltete Gesellschaftsform für Banken, der sich auch Industrieunternehmer bedienten. Der heute bekannteste von ihnen war David Rockefeller. In der Tat hat Rockefeller im Texas des wilden Westens sich möglicherweise ab und an mit rüden Methoden durchgesetzt (1891 wurde auch Sitting Bull getötet!), wenn man sich nicht an die Abreden seines Montags-Clubs hielt. Aber auch die anderen »Giganten« dieser Zeit sind bekannt: Vanderbilt, Carnegie, Morgan, Guggenheim et cetera. Der daraus resultierenden Macht- und Einkommensverschiebung sollte mit dem Sherman Antitrust Act ein Ende bereitet
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