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Occupy Economics

Occupy Economics

Titel: Occupy Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Josef Hoffman
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werden.
    Ludwig Erhards Motivation, das Kartellrecht 1957 in Deutschland einzuführen, war vor allem aus dem Gedanken entstanden, dass der freie Markt, der Wettbewerb vieler untereinander, das beste Mittel ist, um die Macht des einzelnen Teilnehmers zu beschränken (Franz Böhm: »genialste Erfindung«), wobei die Forderung nach Beschränkung der Marktmacht schon eine der Grundforderungen Walter Euckens war. Eucken wie Erhard und Böhm und andere schätzten jedoch die Wirkung eines sozusagen befreiten Wettbewerbs falsch ein. Aus dem Wettbewerb entsteht im ganz freien Markt ein Wettkampf, in welchem der Stärkste gewinnt, das heißt, es tritt genau das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung ein: Durch das Ausscheiden der Mitbewerber konzentriert sich die Marktmacht. Mehr dazu im letzten Kapitel.
    Man kann im Nachhinein die damalige Einschätzung durch Ludwig Erhard und seinen Weggefährten verstehen, da die USA sowohl wirtschaftlich wie technologisch und militärisch die führende Macht der westlichen Welt waren. Davon ist inzwischen jedoch wenig übrig, weshalb heutzutage eine andere Beurteilung erlaubt ist.
    Eine weitere Begründung ergibt sich aus dieser Überlegung: Das kollektive Wettbewerbsrecht ähnelt dem Sozialismus. Hier wird lediglich die »ausgebeutete Arbeiterklasse« durch den »betrogenen Verbraucher« ersetzt. Während der »erste« Sozialismus die Wertschöpfung in Geld prinzipiell verachtet beziehungsweise ignoriert und durch eine Kommandowirtschaft ersetzt, mit dem Ziel die Ausbeutung der Arbeiterschaft zu beenden, dirigiert das Kartellrecht die Wertschöpfung durch bürokratisch angeordnete Preissenkungen oder Bußgelddrohungen nach unten, mit dem Ziel, die vermeintliche Übervorteilung des Verbrauchers zu beenden.
    Die Konsequenz jedoch ist: Der Kaufmann, der aktiv Preise senken muss (Preiswettbewerb ist gleich ruinöser Wettbewerb) und der deshalb weniger verdient, dessen Wertschöpfung zerstört wird, kann infolge dessen dann auch nur reduziert einkaufen, weniger Steuern zahlen, niedrigere Löhne oder weniger Mitarbeiter bezahlen, weniger investieren und muss am Ende auch noch die Qualität seiner Produkte senken. Im »zweiten« wie im »ersten« Sozialismus zahlt die Arbeiterklasse dann erst recht die Zeche, weil das kollektive Wettbewerbsrecht übersieht, dass der Verbraucher in der Masse zugleich der Arbeitnehmer in der Masse ist, also der, der am Ende am meisten unter niedrigen Preisen leidet.
    Oder anders ausgedrückt: Das kollektive Wettbewerbsrecht, das heißt das Kartellrecht, verhindert kollektiv die Wohltaten solidarischen Verhaltens und erzeugt durch schrankenlosen Wettbewerb Armut. Deshalb lässt sich auch behaupten, dass das Kartellrecht eine verschärfte Form des ursprünglichen Wirtschaftsliberalismus darstellt beziehungsweise fördert, weil die Marktakteure nicht nur frei sind, sondern von ihrer Verantwortung und Solidarität den übrigen Marktteilnehmern, ihren Kollegen gegenüber befreit sind, weil sie keine marktregulierenden, marktbegrenzenden Abreden mit den anderen Marktteilnehmern, auch nicht zu deren Schutz (Schutz der Schwächeren), treffen dürfen. Marktregeln, fair play, Rücksichtnahme und aktive Solidarität sind gesetzlich verboten, der Raubtier-Kapitalismus (Kompetitionismus) ist mit dem Kartellrecht institutionalisiert. Die vermeintliche Förderung des Wettbewerbs wirkt am Ende nicht zum Vorteil des Verbrauchers, sondern zu dessen Nachteil.
    Das herausragende Beispiel als Opfer des »zweiten Sozialismus« sind die USA, deren Bewohner sich der occupy-Wall-Street-Bewegung anschließen, weil sie sich langsam auch als Opfer einer allgemeinen Entwicklung sehen und Angst um die Chancen ihrer Kinder haben. Die Auflehnung hat gute Gründe: Die Infrastruktur ist marode, die Menschen leben mit qualitativ minderwertigen Produkten, der Mangel an Margen und entsprechenden Verteilungsmöglichkeiten lassen die Menschen verarmen. Das war schon vor Jahren in der niedrigen Qualität ihrer Industrieprodukte (Textilien, Autos, Häuser et cetera) sichtbar und hat sich bis heute so sehr in die wirtschaftlichen Verteilungssysteme hineingefressen, dass ganze Sozialgruppen verarmt sind und staatliche Grundversorgung mit Essen (Essensmarken) beziehen. Die Auswirkungen sind am Ende dieselben wie im »richtigen« Sozialismus: Die permanente Lohnsenkung über Jahrzehnte kann heute – im Gegensatz zu früheren Jahrzehnten – nicht durch immer größere Mengen, das heißt effizientere

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