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Occupy Economics

Occupy Economics

Titel: Occupy Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Josef Hoffman
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Besitz zur Versteigerung freigeben. Nicht anders kann man es bei vielen Unternehmern, egal ob mittelgroß oder klein, aber auch bei Handwerkern beobachten. Vom Standpunkt allein des Kaufmannes aus lassen sich die Großzügigkeiten beim Bau oder der Pflege von Verwaltungsgebäuden oder der Behandlung und Versorgung von Mitarbeitern nicht begründen. Auch hier werden Sekundärziele verwirklicht, die eigentlich schon keine Sekundärziele mehr sind, sondern Primärziele. Es sind Dinge, die der Unternehmer erreichen wollte, die er angestrebt hat, die den Charakter von Lebenszielen haben. Erfolg ist nicht alles, man will Positives bewirken, die Dinge, die man erreicht hat, für Gutes verwenden, man will sich Gott und der Welt gegenüber dankbar erweisen. Milliardenspenden von Bill Gates und Warren Buffet sind nur die bekanntesten einer unendlichen Anzahl von sozialen Einrichtungen, Museen, öffentlichen Parks, guten Taten nach innen und nach außen.
    Solche Motivationen kann man aber nicht nur bei Selbstständigen beobachten, sondern auch bei Wissenschaftlern, bei Angestellten oder Arbeitern, deren Identifikation mit der beruflichen Aufgabe irgendwo im Hinterland bis zur Selbstaufgabe geht. Ein Blick in manches Krankenhaus oder manche Schule oder Universität, aber auch in manche Partei, manche Justizbehörde oder manchen Verein eröffnet einem Welten. Der Markt spielt da überhaupt keine Rolle mehr. Er spielte für eine kurze Zeit eine Rolle, wenn derjenige der sich als Arbeitsuchender, also als Angebot beziehungsweise Anbieter auf den Arbeitsmarkt begibt. Mit Abschluss des Arbeitsvertrages ist der Marktbezug beendet und zu einem sozialen Bezug zum Unternehmen, zur Behörde geworden – und das nicht selten für Jahrzehnte. Mag sein, dass ab und an der Gedanke oder das Argument des Marktwertes eine Rolle spielt. Aber am liebsten doch eigentlich nicht.
    Das alles gibt es auf dem Markt nicht. Auf dem Markt gilt nur der Marktwert, der Preis, der Vergleich mit dem Wettbewerber oder dem Substitut. Wer vom Markt verschwindet, erlebt dort kein Mitleid, weder von Kollegen, Mitbewerbern noch von Kunden, allenfalls heimlich oder nebenbei, ein kurzes Gespräch, der nächste Kunde erscheint, wird bedient. Geschäft ist Geschäft. Das Leben findet nicht auf dem Markt statt. Nicht der Markt ist das Leben, sondern das Umfeld, das Umland, das Hinterland, so genannt, weil es auch ganz, ganz weit weg von allen Märkten sein kann, ganz privat, ganz versteckt in der zweiten, dritten oder letzten Reihe. Und deshalb an die Adresse marktradikaler Liberaler: Wer die Gesetze des Marktes überall anwenden will, kann nur falsch liegen.
    Allerdings wird das Hinterland sehr stark durch einen anderen Begriff geprägt, und das ist das Privateigentum. Das Privateigentum ist Säule der Privatwirtschaft, aber trägt auch vieles, was einer wirtschaftlichen Betrachtung entzogen ist: den Besitz, die Kultur, die Verantwortung. Das Privateigentum ist – jetzt wieder wirtschaftlich gesehen – der zentrale Begriff des Kapitalismus. Wenn man die Trennung von Markt und Hinterland wirtschaftlich differenziert, ist der Markt der Platz, wo Privates (Eigentum, Leistung) getauscht wird, das Hinterland, die Privatsphäre, das Umfeld, wo Privates gilt. Was das Wirtschaftliche anlangt, ist die Privatsphäre, Betrieb und Haushalt, die »Heimat« des Eigenkapitals, des Kapitalismus. Nach unserer Verfassung gilt dort richtigerweise die Sozialbindung des Eigentums.
    Noch einmal in aller Deutlichkeit: Der Markt ist öffentlich, das ist die Marktwirtschaft, die Tauschwirtschaft, sie ist öffentlich und egoistisch. Wer einkauft, muss bezahlen. Das Hinterland ist privat, ist nach innen altruistisch angelegt, ist die Heimat des Kapitals, des Privateigentums, das sich nach außen egoistisch als Abwehrrecht generiert. Marktwirtschaft und Kapitalismus haben unterschiedliche Spielfelder, auch wenn sie funktional über den Begriff des Privateigentums verknüpft sind, ja zusammengehören, weil das Privateigentum im Markt getauscht wird, in der Privatsphäre als Privatbesitz dominiert.
    Schon die alten Griechen (nicht die neuen!) unterschieden in der Wirtschaft zwischen Marktwirtschaft und Haus- und Betriebswirtschaft. Sie nannten die beiden Bereiche Katallaxie und Ökonomie. Der Begriff Katallaxie ist abgeleitet von »Katallage«, dem altgriechischen Wort für Tausch, die Ökonomie ist abgeleitet von den Worten »Oikos«, das Haus, und »Nomos«, das Gesetz, die Regel. Vor circa

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