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Occupy Economics

Occupy Economics

Titel: Occupy Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Josef Hoffman
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2012 entnommen ist folgende Passage:
    »Der freie Markt ist der Ort, auf dem freie Menschen auf der Grundlage des Rechts freiwillig zum gegenseitigen Vorteil übereinkommen, miteinander zu handeln und geschäftlich zu kooperieren. Der Markt ist deshalb nichts anderes als ein Oberbegriff für die millionenfache und unter den Bedingungen der Globalisierung milliardenfache dezentrale direkte und indirekte Kooperation von einzelnen Menschen. In keinem anderen Wirtschaftssystem kann der Einzelne sich so frei entfalten wie in der Marktwirtschaft. Das Recht auf die freie Berufswahl, den eigenen Lebensstil und die freie Gestaltung des Familien- und Privatlebens, der Werteentscheidungen und Konsumgewohnheiten und des räumlichen Lebensmittelpunktes ist in einer Planwirtschaft nicht möglich. Freiheit und Wirtschaftsplanung schließen sich aus.«
    Dieser Text enthält hehre Gedanken einer idealisierten Welt, einer »milliardenfachen« Kooperation einzelner Menschen. Der Markt ist darin ein Oberbegriff für das Gesamtgeschehen. Im ersten Moment kann man sich der Faszination des Gedankens nicht ohne Weiteres entziehen, und immerhin ist darin das »Glaubensbekenntnis« der marktliberalen Bewegung enthalten, also einer Bewegung mit Millionen von Anhängern.
    Aber wenn man die Begriffe »Markt« und »Marktwirtschaft« als Oberbegriffe sieht, versperrt man sich den Weg zu weiteren Erkenntnissen. Der idealisierte Markt ist alles – ist Freiheit, ist Kooperation, ist Entfaltung? Meine Beobachtung ist eine andere. Ich gehe auf einen Markt und beobachte, was dort geschieht: Ein Markt ist ein Platz, auf dem sich die Menschen treffen, um Dinge auszutauschen, vornehmlich Geld gegen Ware, aber auch Geld gegen Arbeit oder Ware gegen Ware, sogenannte »Bartergeschäfte«.
    Eine der zentralen Feststellungen dabei ist: Märkte sind im Allgemeinen öffentlich. Die Anpreisung der Ware ist öffentlich, sei es im Schaufenster, in der Anzeige, an der Speisetafel im Lokal, sei es auf Messen, Märkten, im Internet oder sonst wo. Märkte sind frei zugänglich, jedermann kann hineinspazieren und wieder heraus – ebenso wie der Besuch auf einer Internetseite. Wer etwas verkaufen will, tut das öffentlich. Er wirbt öffentlich, öffnet seine Räumlichkeiten für potenzielle Kunden, dekoriert sie, macht Leuchtreklame an den Eingang, damit möglichst viele hereinkommen. Auch dort, wo man sich an eine spezielle Zielgruppe wendet, wo eine öffentliche Präsentation keinen Sinn macht, zum Beispiel für Zulieferer beziehungsweise Lieferanten gewerblicher Anbieter, dort wird in Fachzeitschriften geworben, werden Kunden systematisch eingeladen.
    Und was folgt aus der Feststellung, dass Märkte öffentlich sind? Das übrige Wirtschaftsleben ist privat. Alle Marktteilnehmer organisieren sich außerhalb der Märkte privat, in »Gemeinschaften«, wie sie Ferdinand Tönnies, der Begründer der deutschen Soziologie, genannt hat 11 . Der Unterschied zwischen öffentlich und privat ist an vielen Stellen sichtbar. Ein Beispiel, das jeder kennt, sind die unterschiedlichen Bereiche, Räume einer Gaststätte. Dort, wo ein jeder Zugang hat, im vorderen Lokal, ist alles schön präsentiert, sortiert, dekoriert. Im hinteren Bereich gibt es eine Türe, auf der steht »Privat«. Dort hat die Öffentlichkeit keinen Zugang. Dort befinden sich Büroräume, Lagerräume, Montageräume, Spinde, private Dinge eben. Auch die Rückseite des Tresens gehört dazu. Und was im Kleinen gilt, gilt auch im Großen. Die Räume von Bürotürmen, Fabriken, Druckereien, Werkstätten, Planungsbüros, Werbeagenturen, auch Ministerien und sonstigen Verwaltungsräumen sind privat, es sei denn, sie sind teilweise und speziell für Publikumsverkehr geöffnet, wie Verkaufsbüros, öffentliche Sitzungsräume oder Geschäftsstellen. Alles andere, also das meiste, das, was die eigentliche Funktion ausmacht, ist privat, ist Privatsphäre.
    Das Beispiel Gaststätte ist als Allerweltserfahrung für die Trennung von Marktwirtschaft und Haus- beziehungsweise Betriebswirtschaft von schöner Anschaulichkeit: Im vorderen Lokal findet die Marktwirtschaft statt, im hinteren die Betriebswirtschaft – und in größeren Betrieben auch der Kapitalismus, wenn man so will. Das Kapital wird privat gehandhabt, gepflegt, gehört zur Privatsphäre. Über seine Verwendung wird privat entschieden. Die Entscheidung wird nur dann öffentlich, wenn eine Transaktion über den Markt, ein Verkauf oder Einkauf vorgenommen wird. Der

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