Occupy Economics
zweihundert Jahren schlug der britische Ökonom, Theologe und spätere Bischof Richard Whately vor, den Begriff »Katallaktik« für Volkswirtschaftslehre zu verwenden. Warum sich die Wissenschaft dann für den Begriff »Ökonomik« entschieden hat, ist nicht bekannt. Von der Sache her wäre Katallaktik der eindeutig zutreffendere Begriff gewesen. Stattdessen setzte sich der Begriff Ökonomik durch, der eigentlich der Begriff für Haus- und Betriebswirtschaftslehre ist. Aber es geschah noch mehr: Der Begriff Ökonomie entwickelte sich zum Oberbegriff der Volkswirtschaftslehre, unter dem sich Mikroökonomie und Makroökonomie versammelten. Durch die falsche Begriffswahl wurden Katallaxie und Ökonomie vermischt. Eine klare Trennung hätte viele Fehlentwicklungen der Lehren verhindert. Auch die Entscheidung des Nestors der Österreichischen Schule, des Ökonomen Ludwig von Mises, den Begriff Katallaxie zur Grundlage seines Denkens zu machen, macht die Sache nicht besser, weil es kein Entweder-oder geben darf, sondern nur ein Sowohl-als-auch.
Weiter speziell zum eigentlichen Markt: Die Tatsache, dass das Marktgeschehen öffentlich und ein reines egoistisches Tauschgeschehen ist, macht es transparent und regelbar. Die allgemeinen Regeln des Zusammenlebens gelten dort allerdings sowieso, insbesondere die strafrechtlichen Regeln, aber sie gelten generell, also für Anbieter und Abnehmer. Auch der Käufer darf nicht betrügen, indem er mit Falschgeld bezahlt. Stehlen ist ohnehin untersagt. Der Anbieter betrügt, wenn er fehlerhafte Ware anbietet oder minderwertige unter Vorspiegelung von Hochwertigkeit verkauft, oder wenn sich zum Beispiel jemand (am Arbeitsmarkt) mit gefälschten Papieren bewirbt. Die Anwendung der Regeln des Strafrechts ist darauf ausgerichtet, dass die Tauschvorgänge reibungslos und unter Einhaltung der allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (Kaufrecht) ablaufen. Sonderregelungen auf einem Markt betreffen überwiegend den Anbieter, den Kaufmann, den Unternehmer. Sie regeln seinen Marktauftritt. Das sind zu allererst die Standordnung für Messen und Märkte: Größe, Öffnungszeiten, Warengruppe, Preisauszeichnung. Wo Geschäfte nicht in eine enge Marktordnung eingebunden sind, gelten spezielle Gesetze: Das Ladenschlussgesetz, die Sonntags- und Feiertagsverordnung, das Rabattgesetz (abgeschafft), die Zugabenverordnung (abgeschafft), das Verbot der Preisbindung der zweiten Hand (seit 1974), das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, welches Verhaltensregeln aufstellt. Generell sind die Regeln entweder privat vereinbart oder öffentlich-rechtlich erlassen. Öffentliche oder private Marktordnungen sorgten von alters her für Chancengleichheit und -gerechtigkeit unter den Anbietern, sie sorgen für geordnete Abläufe, sie sorgen für prosperierende Geschäfte und Branchen.
Wir Deutschen lieben die Ordnung. Schon der Begriff aber scheint uns manchmal blind zu machen. Was ich hier meine, ist der Begriff »Ordnungspolitik«, den die Ordoliberalen wie eine Monstranz vor sich hertragen. Bei einer genaueren Betrachtung ihrer ordnungspolitischen Grundsätze stößt man auf unbestimmte Parameter, die sich auf Angebot und Nachfrage auswirken, die aber mit Marktordnung nichts zu tun haben. Damit sollen sogenannte Verzerrungen des Wettbewerbs bezeichnet werden. Dahinter steht immer die Vorstellung von der Freiheit der Märkte, der natürlichen Preisbildung und der Vermeidung von Machtzusammenballungen und Monopolen, also Vorstellungen, denen eine echte Marktordnung fremd ist. Denn Marktordnungen geben den Anbietern feste Positionen, Mietverträge und echte Rahmenbedingungen, die echte kleine Machtpositionen sind und die den täglichen Broterwerb ermöglichen. Genau diese Marktordnungen widersprechen den ordnungspolitischen Grundsätzen, wie sie bei Ludwig Erhard und anderen formuliert sind. Genau in der Durchsetzung dieser fragwürdigen Grundsätze der Ordnungspolitik sind die Ursachen vieler unserer Auflösungserscheinungen begründet.
Im Vorfeld der Märkte gibt es auf der Seite der Anbieter eine Unzahl von Sonderregeln, von Barrieren, die der Allgemeinheit den Zugang zu den Märkten auf der Anbieterseite versperren: Der Handwerker muss Meister sein, der Rechtsanwalt muss die Befähigung zum Richteramt nachweisen, der Luxusliner oder der Jet darf nur von einem Kapitän geführt werden, für Taxis und Gaststätten bedarf es einer Konzession (Gaststättenverordnung), für den Gemüsemarkt bedarf es der
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