Occupy Economics
Gewissen der Menschen entwickelt, wenn man hört, dass ganze Regionen um Hawaii, die Seychellen oder anderswo unter absoluten Naturschutz gestellt werden. Absolut heißt dann: Niemand darf das Gelände oder die Unterwasserregion mehr betreten. Zugleich fragt man sich aber, warum das für das Nordkap noch niemandem eingefallen ist oder für den Golf von Mexiko, oder wenn man hört, dass die unersättlichen Industrien jetzt die Tiefsee-Manganknollen im Visier haben. Es müsste sich doch herumgesprochen haben, dass da unten alles kaputt geht, wenn wir mit dem großen Hebegerät anrollen. Deshalb müssen diese Werte erfasst und von der Staatengemeinschaft so verwaltet werden, dass irreparable Schäden oder Kollateralschäden vermieden werden.
Ich sehe im Zeitalter von Google Earth und Wikipedia kein Problem darin, die Ressourcen dieser Welt vollständig zu erfassen. Danach muss eine globale Planung aufgestellt werden, die am Ende einen dauerhaften Erhalt der Substanz, also des eigentlichen Kapitals, gewährleistet. Die globale Planung kann für ein paar Jahrzehnte noch einen Ressourcenverbrauch in der Weise gestatten, wie er heute üblich ist, um Brüche in der Versorgung zu vermeiden, aber dann muss es für manche Bereiche absolute zeitliche Grenzen geben.
Genau an dieser Stelle fragt man sich, woher die Verantwortungslosigkeit der Staaten kommt, dass sie ihre Aufgaben nicht wahrnehmen, dass sie die Zerstörung nicht verhindern, sondern sogar befördern. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe, je nachdem, in welcher Situation sich ein Staat befindet. An erster Stelle steht der Versorgungsgedanke. Ein Staat mit einer unterdurchschnittlich armen Bevölkerung kann eine Genehmigung nicht verweigern, die die Versorgungssituation seiner Bevölkerung zu verbessern verspricht.
6.5 Armutsfalle und Reichtumsfalle
Aber auch ein Staat wie unserer mit einem überdurchschnittlichen Versorgungsniveau steckt in einer Klemme. Eine hoch entwickelte Industrie benötigt den Druck, den wirtschaftliches Wachstum erzeugt, um seine Beschäftigungsverhältnisse zu stabilisieren. Ohne Wachstum verlieren schnell große Teile der arbeitenden Bevölkerung ihre Beschäftigung, weil kein Aufbau mehr stattfindet. Unsere Einkommensverteilungssysteme sind darauf nicht eingerichtet. Nur kleine Teile der Bevölkerung und der Politik können sich vorstellen, dass es ein Einkommen gibt, das ohne Bedingung ausbezahlt wird, also ohne Marktberührung, also ohne Tausch, sondern direkt, obwohl die Erde uns die Ressourcen kostenlos zur Verfügung stellt, und obwohl viele Maschinen Tag und Nacht laufen und produzieren, ohne dass sie mehr brauchen als Strom und ein wenig Aufsicht. Die Arbeit macht die Maschine. Aus dem Beschäftigungs- und Wachstumsdruck erwächst für den Staat die Notwendigkeit, abzuwägen zwischen der Wahrnehmung der Schutzaufgabe für die Natur und der Wahrnehmung der Versorgungsaufgabe für die Bevölkerung.
Der reiche Staat steckt sozusagen in einer Wohlstandsfalle. Sowohl die Armutsfalle des armen Staates wie auch die Reichtumsfalle des reichen Staates ist unüberwindbar, wenn es den Staaten nicht gelingt, Systeme zu installieren, die sie aus den Fallen befreien. Die Staaten müssen in die Lage versetzt werden, sich zu exkulpieren, sie müssen ihre Unschuld wiederherstellen, sie müssen sich von der ökonomischen Erbsünde befreien, die da heißt: Versorgungsstaat. Denn in Wahrheit ist die Schaffung von Wohlstand Sache der Eigenversorger, also der Haushalte (zu denen auch der Staatshaushalt gehört) und der Kaufleute, also der Betriebe, die für die arbeitsteilige Fremdversorgung zuständig sind. Der Versorgungsstaat ist das Problem!
Der Versorgungsstaat ist eine Art Krankheit, die aus den besagten Gründen immer mehr um sich greift. Von dieser Krankheit müssen sich die Staaten befreien. Der Weg aus dem Versorgungsstaat geht über die Haushalte und Betriebe, also über das leistungsfähige private Hinterland. Das Hinterland ist für die Versorgung zuständig. Allerdings nur, wenn dessen finanzielle Versorgung, also ihre Versorgung mit Geld, sichergestellt ist, kann sich der Staat auf seine Schutzaufgabe zurückziehen. Die Einkommensverteilung muss stimmen. Die Frage ist natürlich, wie das zu geschehen hat, denn diese Antwort klingt ja wie der Versorgungsstaat selbst.
6.6 Das Wunder der Solidarität
Der Gedanke, der aus dem Dilemma herausführt, heißt Solidarität. Wir haben diesen Gedanken bei der Erörterung der Sozialen
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