Occupy Economics
Marktwirtschaft bereits kennengelernt: Es kommt darauf an, innerhalb der Betriebe zwecks Versorgung der Haushalte die Einkommen so zu verteilen, dass sie für die Haushalte auskömmlich sind. Dafür ist es auch erforderlich, die Einkommen zwischen den Betrieben über Kartellvereinbarungen (Spielregeln für den Markt) so zu verteilen, dass möglichst vielen ein Überleben ermöglicht wird.
Man könnte jetzt meinen, dass wir uns hier wieder einmal dem Sozialismus nähern, aber das Gegenteil ist der Fall: Dadurch, dass die Betriebe selbst für auskömmliche Einkommen sorgen, entfällt die Versorgungsaufgabe des Staates. Übrig bleibt lediglich die staatliche Fürsorge für die Mitglieder der Bevölkerung, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, am Erwerbsleben teilzuhaben. Die Inanspruchnahme des Staates wird subsidiär. Im Grunde müssen wir ansonsten zu dem Zustand zurück, wie er vor Bismarck herrschte: Dem Staat ist die soziale Frage egal, das regelt die Haus- und Betriebswirtschaft, die Bevölkerung selbst.
Der zweite Gedanke, der aus dem Dilemma herausführt, heißt: Hohe Preise sind gut und nützlich. Dieser Gedanke ist erforderlich, weil die Zurückhaltung des Staates oder der Staaten bei der Genehmigung des Abbaus von Ressourcen zwangsläufig zu höheren Preisen führt. Man könnte meinen, dass höhere Preise die Bevölkerung wiederum verarmen lassen. Das ist jedoch nicht der Fall, weil die höheren Preise in den Betrieben zu höheren Umsätzen, also zu höherer Wertschöpfung führen. Das heißt, das Volumen an Geld, das zur Umverteilung zur Verfügung steht, steigt. Der Zahler (Verbraucher) war vorher beziehungsweise ist zugleich der Nutznießer. Das Entscheidende ist die Marge, die Wertschöpfung, der Mehrwert, der die höheren Einkommen schafft, allerdings in Kombination mit einer funktionierenden Solidarität, sprich: Verteilungsgerechtigkeit innerhalb der Betriebe und Unternehmen. Hier spielen große und kleine Verantwortlichkeiten eine Rolle. Wo die soziale Komponente beim Unternehmer unterentwickelt ist, wo die Unternehmensethik unterentwickelt ist, der Unternehmer also nicht für ausreichend Einkommensgerechtigkeit sorgt, tritt bei uns die Tarifautonomie in Kraft. Es ist dann Aufgabe der Gewerkschaften, mit Ausübung von Druck einen echten Interessenausgleich herbeizuführen. Gewerkschaften sind nicht immer ausreichend unternehmensinteressenorientiert, wie sie es eigentlich sein sollten, aber im Allgemeinen schon, vor allem im Hinblick auf ganze Branchen.
Etwas genauer betrachten kann man noch die Frage, ob hohe Preise nicht ein Nullsummenspiel sind. Wer mehr verdient, muss ja auch mehr bezahlen. Die Erläuterung ist nicht ohne Weiteres verständlich, aber man kann es sich wieder mit einer Extremdarstellung klarmachen: Viele Produkte durchlaufen einen mehrstufigen Produktions- und Verteilungsprozess. In den großen Konferenzen wird immer wieder die Frage nach dem Anteil der einzelnen Stufen an der sogenannten Wertschöpfung gestellt. Das Beispiel sei die Milch beziehungsweise der Milchpreis. Wenn nun der Konkurrenzkampf im Einzelhandel die Preise so drückt (der Kunde, der Verbraucher ist glücklich), dass dem Handel keine Marge bleibt, dann leiden erst einmal nur die Handelsbetriebe, am Ende die Löhne ihrer Mitarbeiter. Natürlich gibt der Handel den Druck weiter bei den Verhandlungen mit den Molkereien. Jetzt leiden die, beziehungsweise deren Mitarbeiter müssen Einkommensverluste hinnehmen. Die letzten sind die Milchbauern, denen die Molkereien die Preise vorschreiben, das heißt, auch hier wird der Druck weitergegeben. Von allen Stufen aus führt der Einkommensausfall der Mitarbeiter an der Wertschöpfung irgendwo anders zu Nachfrageausfall, der dann auch dort zu Einkommensausfall führt. Man kann den Gedanken bis dahin ins Extrem fortführen, indem die Milch als Zugabe an der Kasse verschenkt wird, also keinen Preis mehr hat. Dann ist die Wertschöpfungskette verschwunden und die Einkommensverteilung am Ende. Das imaginäre Ziel aller Preissenkungen ist immer Null. Der Verbraucher nimmt alles und am liebsten, wenn er es geschenkt bekommt (Zugaben). Aber seine Freude ist vorschnell, denn der Verlust an Einkommen trifft ihn am Ende selbst. Ein gutes Beispiel sind die Ausgaben für Lebensmittel, die in Deutschland nur noch zwölf Prozent bei den Haushaltsausgaben ausmachen – eine Folge des staatlich gewollten Preiskampfes (Verbot von Festpreisen, Wegfall des Rabattgesetzes und
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