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Occupy Economics

Occupy Economics

Titel: Occupy Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Josef Hoffman
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Solidargemeinschaften konzeptionell in die Industriegesellschaft übernommen (Wirtschaftsverbände) und die Idee von Personalität, Solidarität und Subsidiarität in einer ersten Päpstlichen Sozialenzyklika, »rerum novarum«, durch Papst Leo XIII. (1881) verbreitet. Maßgeblicher Ideengeber war der 1877 verstorbene Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler, der als Jurist und Theologe, aber auch als vormaliger preußischer Beamter, eigene Beobachtungen angestellt hatte, profunde Erfahrungen gesammelt und komplexe und strukturierte Schlussfolgerungen entwickelt hatte. Er fand den Anschluss an die christliche Barmherzigkeit des Mittelalters und die (politische) Brüderlichkeit der Französischen Revolution (Fraternité) und beeinflusste als Mitbegründer der Zentrums-Partei und als Bischof von Mainz mit seinen Vorstellungen die Deutsche Reichsregierung unter Bismarck wie den Heiligen Stuhl in Rom gleichermaßen.
    Das Ende des 19. Jahrhunderts und der Beginn des 20. Jahrhunderts war in Deutschland das Zeitalter eines gewaltigen, über 30 Jahre dauernden wirtschaftlichen Aufschwungs. Er wurde getragen von einer konsensorientierten Wirtschaft, bestehend aus sich entwickelnden Kartellen (Branchenverbänden), Arbeitnehmerkartellen (Gewerkschaften) und Regionalkammern, eingebettet in einen explosionsartigen wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Es war die strenge Biedermeierzeit, die das gehobene, wohlhabende, disziplinierte Bildungsbürgertum hervorbrachte, noch heute sichtbar in ganzen Stadtteilen, die in dieser Zeit gebaut wurden (Bonn-Poppelsdorf, Düsseldorf-Oberkassel et cetera). Zugleich wurde die wachsende industrielle Arbeiterschaft abgesichert durch die Bismarck’schen Sozialgesetze. Die Kaiserzeit vor dem Ersten Weltkrieg war somit im Grunde rein zufällig die erste große erfolgreiche Periode der Sozialen Marktwirtschaft.
    Beide Komponenten verdanken ihr Entstehen der Furcht vor dem Sozialismus: Bismarck wollte mithilfe der Sozialgesetze dem gefürchteten Sozialismus den Boden entziehen. Die katholische Kirche, allen voran Papst Leo XIII., wollte durch die erste Sozialenzyklika »Rerum Novarum« dem materialistischen Sozialismus ein humanes, christliches Gegenkonzept entgegenstellen. Deren Prinzipien Personalität, Solidarität und Subsidiarität gelten bis heute als konzeptionell-geistige und moralische Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft unverändert fort. Sowohl Bismarck wie Leo XIII. bezeichneten den späteren Mainzer Bischof von Ketteler als zentralen Ideengeber.
    In der Wirtschaftswissenschaft wurde diese Epoche unter anderem geprägt von Gustav von Schmoller, dem Begründer des »Vereins für Socialpolitik«, oder von Friedrich von Kleinwächter (1838–1927), der »den Anarchismus der Wirtschaft mit Kartellen beseitigen« wollte, deren wohltuende Wirkung er aus dem Konzept der Zünfte des Mittelalters herleitete. Sein bekanntestes Werk lautet Kartelle, Hilfe in der Not . Die ganze Welt pilgerte vor dem Ersten Weltkrieg nach Deutschland, um sich von diesen Protagonisten der Historischen Schule Weisheiten abzuholen.
    Kaiser Wilhelm verkraftete die wirtschaftlichen Erfolge nicht und trieb Europa in den Ersten Weltkrieg. Schmoller verstarb im Jahr 1917. Seine Ideen hielten sich noch bis in die späten Zwanziger Jahre, in denen sich der wirtschaftliche Vorkriegserfolg dieser entwickelten sozialen Marktwirtschaft nach der Entschuldung des Staates (»Inflation«, 1923) unvermittelt fortsetzte (»Golden Twenties«).
    Der endgültige Untergang des deutschen Denkens in der Nationalökonomie begann 1929 mit dem Platzen einer Spekulationsblase an der New Yorker Börse. Die Brüning’sche Politik des monetären Entzuges, mit dem Hintergedanken, Deutschland bei den Reparationsverhandlungen in London möglichst arm dastehen zu lassen, bereitete den Nazis den Boden und leistete auf der geistigen Ebene der Freiburger Schule Vorschub, die Ende der Zwanziger Jahre gegründet worden waren, um die Historische Schule zu bekämpfen. Die Freiburger Schule Walter Euckens zielte auf eine Befreiung von der vermeintlichen Enge der korporatistischen, also staatlich koordinierten Wirtschaft, wie sie von der Historischen Schule befürwortet wurde. Walter Eucken und seine Mitstreiter übersahen (oder neideten?) dabei, dass die gewerkschaftlich-korporatistische Politik in den zwanziger Jahren überaus erfolgreich war und die Ursachen für den wirtschaftlichen Niedergang nicht bei der Historischen Schule

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