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Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Erwartung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
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allein im Bett lag und mich davor fürchtete, die Augen zu schließen, immer noch genug Zeit haben würde (mehr als genug Zeit), um über Justine und Paul Carsons nachzugrübeln und mir Gedanken zu machen, ob sie miteinander zu tun gehabt hatten. Ein paar Stunden nervenschonender Ablenkung hatten mehr Ähnlichkeit mit Schlaf, als ich sonst erhoffen konnte, also würde ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen.

K APITEL 5
    V anessa … meine kleine Nessa … verstecken hilft dir gar nichts … komm nur raus, komm, komm …
    Ich fuhr auf der Couch in die Höhe. Mein Herz klopfte so schnell und laut, dass es für einen Moment den Gesang der Glücksbärchis im Fernsehen und den Radiomoderator in der Küche übertönte. Mein Blick huschte durch das Zimmer, fiel auf die dünne Lichtlinie zwischen Jalousie und Fensterbank, auf die Plastikschale mit welkem Salat, die auf dem Couchtisch stand, und auf die Uhr in Entenform über dem Kamin: Es war 7.20 Uhr.
    Big Papa hatte recht gehabt. Nachdem mir Louis grünes Licht gegeben hatte, war ich zehn Stunden lang damit beschäftigt gewesen, Stapel von schmutzigem Geschirr herumzuschleppen. Endlich zu Hause, hatte die Erschöpfung meinen Körper zum Nachgeben gezwungen.
    Ich hob die Fernbedienung vom Boden auf, stellte den Fernseher aus und ließ mich auf die Couch zurückfallen. Inzwischen sah ich Justine jedes Mal, wenn ich die Augen schloss. Und im Gegensatz zu meinen Wachträumen, in denen ihr Lächeln und ihre blauen Augen vor mir erschienen, sobald ich auch nur blinzelte, sah sie nachts nicht aus wie die Schwester, an die ich mich erinnern wollte. Sie war zu dünn, zu zerbrechlich. Ihre Haut war grau statt perlweiß, der Körper mit einem Muster aus gelblichen und dunkelrotenFlecken übersät. Das Haar hing ihr in dicken, verfilzten Strähnen über den Rücken, und ihre Augen waren nicht blau, sondern glühten weiß. Wenn sie nach mir rief, durchfuhr ein schneidender Schmerz meinen Schädel.
    Ich griff nach dem schnurlosen Telefon auf dem Couchtisch, um Justines Stimme möglichst schnell durch eine andere zu ersetzen. Gerade hatte ich die Vorwahl von Boston gedrückt, als aus der Küche ein lautes, klopfendes Geräusch ertönte.
    Es ist nur ein kaputter Auspuff an einem vorbeifahrenden Auto … oder ein Boot mit Motorschaden … oder Mr Carmichael, der aus Vermont zurückgekommen ist und im Garten arbeitet.
    »Das war’s dann mit Schlaf«, sagte ich zu mir, als das Geräusch erneut ertönte und mir klar wurde, dass jemand vor der Küchentür stand. Da ich nicht sicher war, wer mich so früh am Morgen besuchen würde, wählte ich erst zu Ende, bevor ich auf das Klopfen reagierte. »Hi Dad«, rief ich, als er abnahm.
    »Vanessa?«
    »Ja, ich bin’s.« Ich ging durch die Küche, wobei ich mein Augenmerk auf die Schere richtete, die sich im Keramikbecher beim Kühlschrank befand, dann auf den Feuerlöscher beim Herd und den Messerblock auf dem Tresen. »Und ich habe einen richtig guten Morgen. Gerade benutze ich deine extrascharfen Ginsu-Messer, um Käse für mein Frühstücksomelett zu schneiden.«
    »Was für Ginsu-Messer? Und warum schreist du so? Ist alles okay?«
    »Ach, du bist schon fast da? Du biegst gerade in den Burton Drive ein?«
    Ich blieb einen Meter vor der Tür stehen. Nach der Silhouette zu urteilen, die ich durch den dünnen Vorhang amKüchentürfenster sah, war der Besucher auf jeden Fall männlich.
    »Vanessa, falls du versuchst, mir etwas zu sagen –«
    »Einen Moment, Big Papa«, flüsterte ich und griff nach dem Türknauf. »Simon?« Mein potentieller Einbrecher stand in Jeans und weinrotem Pulli auf der Treppe.
    »Hi. Tut mir leid, ich weiß, dass es früh ist –«
    »Caleb und du kommen doch immer zur Hintertür.«
    »Habe ich schon versucht«, sagte er. »Und die Vordertür. Und die Seitentür. Du hast nicht aufgemacht.«
    »Oh.«
    »Ich war schon fast so weit, mit Gewalt einzudringen, weil du nicht reagiert hast. Schließlich war die ganze Nacht das Licht an, und in der Wohnung war es so laut, dass ich mich hier draußen selbst kaum hören konnte. Ich hatte Angst, dass etwas passiert ist.«
    »Oh, tut mir leid … ich war eingeschlafen.«
    »Du bist eingeschlafen? Ich bin ja so erleichtert, das zu hören!«
    Big Papa. Ich hatte ganz vergessen, dass ich noch immer das Telefon ans Ohr hielt. »Dad, sorry … ja, ich konnte endlich schlafen.« Ich wandte mich ab und hoffte, dass Simon die verlegene Röte nicht bemerkte, die sich von meiner

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