Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
hatten vor zwei Jahren einen Sommerflirt. Laut allgemeiner Schätzungen hat das gerade mal drei Wochen gedauert. Er ist zwischen den Restaurantschichten aufgetaucht, ist ihr regelrecht nachgelaufen, und gerade als es so aussah, als würden sie tatsächlich ein Paar werden, hat sie ihn fallen lassen. Ihn total geschnitten. Der arme Junge ist hinter ihr hergedackelt, hat sie gefragt, ob alles okay ist und ob sie nach der Arbeit mit ihm ausgeht, aber sie hat kein einziges Wort gesagt. Glücklicherweise ist seine Familie nur dieses eine Mal in den Sommerferien hergekommen. Ein schnelles, endgültiges Lebewohl ist das Beste, worauf man hoffen kann, wenn einem das Herz in eine Million kleine Stücke zertrampelt wurde.«
»Und der Typ hat trotzdem eine ganze Seite in ihrem Scrapbook verdient? Dabei war ihr die Sache doch nie besonders ernst, oder?«
»Ja, das dachten wir auch.« Paige blätterte eine Seite weiter. »Aber da haben wir uns wohl geirrt.«
»Eddies Eisdiele?« Zwar waren die Farben bereits verblasst,aber trotzdem erkannte ich sofort das typische Einwickelpapier für Eddies Eiswaffeln.
»Wo alles begann …«, las Paige die handgeschriebene Notiz darunter. »20. Mai. Habe heute Xavier gesehen. Er jobbt im Laden. Ich habe einen Schoko-Milchshake bestellt und entschieden, dass er derjenige ist, auf den ich immer gewartet habe.«
»Lieber Himmel.«
»Kitschiger geht’s nicht, was? Aber wenn es schon am 20. Mai angefangen hat, dann war das zwei Monate bevor irgendjemand von uns etwas gemerkt hat. Und schau mal hier – ein Grashalm von ihrem Spaziergang im Park. Eine Rechnung von dem Café, wo sie das erste Mal Händchen gehalten haben. Die leere Packung Pfefferminzbonbons, mit der Zara ihren Atem für den ersten Kuss aufgefrischt hat. Hier kleben die seltsamsten Souvenirs von fast jedem Tag zwischen dem 20. Mai und dem Zeitpunkt, wo uns im Restaurant zum ersten Mal etwas aufgefallen ist.« Sie blätterte noch ein bisschen weiter. »Und schau dir das an. Eine Postkarte auf der von Xavier geschrieben steht –«
»Ich liebe dich für immer und ewig …«
»Er liebt sie. Für immer und ewig. Und nur eine Woche nachdem er ihr das sagt, schaut sie ihn nicht mehr mit dem Hintern an.«
»Heftig.«
»Damit kommen wir zum Höhepunkt dieser abgedrehten Girlie-Romanze.« Sie zeigte auf einen klein geschriebenen Eintrag unter der Postkarte.
»Anfang: 20. Mai. Ende: 12. August. Gesamtdauer: 84 Tage.«
»Sie hat die Tage zwischen dem Eiswaffelpapier und der Karte durchgezählt und die Zahl notiert wie eine Art Grabinschrift. Wer macht so was?« Paige blätterte weiter. »Und genauso sieht es dann bei jedem weiteren Verehrer aus.
Porträtfoto, seltsame Souvenirs, eine Liebeserklärung und – peng! – Schluss mit den Dates. Game over.«
Es wirkte tatsächlich wie ein Spiel und kam mir selbst für Zara ziemlich fies vor.
»Nichts ändert sich, bis auf die Namen der Typen und die Dauer der Beziehung. Aber je weiter man blättert, desto weniger Sinn ergibt es, was für Jungs sie sich aussucht. Xavier war noch nachvollziehbar. Er war älter als sie, beliebt bei den Sommerparty-Kids und einfach süß. Aber dieser Typ hier?« Sie schlug Max Hawkins auf, der sich weiter hinten im Album befand. Er sah ein ganzes Stück älter aus als Xavier, hatte drei Ringe durch die Unterlippe gepierct und konnte sich kaum aufraffen, die Augenlider zu heben. »Abgesehen davon, dass er nicht Zaras Typ ist, gehört er zu der Sorte, die sich normalerweise über Girlies wie sie lustig macht. Am Ende hat er ihr eine Liebeserklärung mit Edding auf ein CD-Cover geschrieben. Ihre Beziehung – oder wie man es sonst nennen soll – begann am 25. August und endete am 12. September. Also hat sie genau neunzehn Tage gedauert.«
Ich dachte, dass das immerhin neunzehn Tage mehr waren als jede Beziehung, die ich bisher gehabt hatte, doch in diesem Moment begann sich in meiner linken Schläfe ein warnender Spannungsschmerz aufzubauen. »Ich glaube, Zara ist nach Hause gekommen.«
»Ehrlich?« Paige schaute auf ihre Uhr.
»Ich bin ziemlich sicher, dass unten eine Autotür zugeschlagen wurde.« Mühsam kämpfte ich gegen den Drang, mir die Finger in die Stirn zu bohren, wo der Druck ständig wuchs. Erleichtert sah ich, dass Paige das Buch zuklappte und zu einem Flurfenster rannte, um hinauszuschauen.
»Game over!«, rief sie und kam zurück ins Zimmer gerast. Ihre Silberaugen glitzerten vor Aufregung, weil sie so knapp der Entdeckung
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