Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
selbst als diese wahnsinnig schöne, kultivierte, mysteriöse Person … aber in Wirklichkeit? Ist sie nur ein albernes Girlie. Beweisstück A.«
Ich setzte mich und nahm das kleinere der beiden Bücher entgegen. »La vie en rose?«, las ich und fuhr mit dem Daumen über die Schrift, die in den weißen Ledereinband graviert war.
»Ein Leben in Rosa«, sagte Paige. »Schlag es auf.«
Im Garderobenspiegel uns gegenüber blitzte es plötzlich hell auf. »Lieber nicht«, erwiderte ich und gab das Album zurück.
»Du bist hier auf dem Trockenen, weißt du«, meinte sie und nahm es entgegen. »Keine Geschöpfe der Meerestiefe, vor denen man Angst haben müsste.«
»Du hast gesagt, Zara würde uns auf der Stelle umbringen.«
»Schon gut.« Sie hielt das Album hoch, so dass ich auf die Seiten schauen konnte, und blätterte langsam um.
»Sieht für mich aus wie ein Tagebuch.«
»Genau. Aber kein gewöhnliches …« Sie zeigte auf die rechte obere Ecke einer Seite irgendwo in der Mitte des Albums.
»Avril?«
»Das heißt April«, erklärte sie, und ihre silbernen Augen glitzerten. »Das ganze Buch ist in Französisch geschrieben.«
Sie schien das enorm aufregend zu finden, aber ich verstand nicht recht, warum. »Ja, und?«
»Z hatte in der Schule nur Spanisch. Genau wie ich.«
Ich kapierte es immer noch nicht, und die Zeit lief uns davon. »Sie hat sich also noch eine zweite Sprache beigebracht. Vielleicht mit Lern-CDs oder einem Internetkurs.«
»Ja, schon gut. Aber der Punkt ist, dass sie ihre Gefühle und Gedanken in der elegantesten, kultiviertesten, romantischsten Sprache der Welt niederschreibt. Weil sie sich nämlich selbst so sieht oder zumindest so sein möchte: elegant, kultiviert und von allen angebetet.«
»Okay«, sagte ich, obwohl Zara ihr Tagebuch wohl eher deshalb in romantischem Französisch schrieb, damit ihre kleine Schwester es beim neugierigen Herumstöbern nicht lesen konnte.
»Leider habe ich es noch nie lange genug in der Hand gehabt, um etwas übersetzen zu können. Aber das war auch nicht nötig, denn stattdessen habe ich etwas viel Besseres gefunden.«
Das zweite Buch war deutlich größer und hatte einen Umschlag aus pinkfarbenem Patchwork, der mit zierlicher weißer Spitze eingefasst war. In der Mitte war eine durchsichtige Fototasche eingelassen, und darin befand sich ein Bild von Zara, die auf den Klippen beim Haus stand, so dass sich das weite Meer hinter ihr ausbreitete. Sie trug ein langes weißes Sommerkleid, ihr schwarzes Haar flatterte im Wind.
»Sie ist wirklich wunderschön«, sagte ich. Nur ein Blinder hätte das leugnen können, auch wenn sie ansonsten fies und launisch war und mich ohne erkennbaren Grund hasste.
»Schau es dir näher an«, forderte Paige eifrig und schlug die erste Seite auf.
»Ist das ein Scrapbook?«
»Hast du selbst keins?«
Ich schüttelte den Kopf. Mom versuchte schon seit Jahren, mich zu überzeugen, dass ich mir eins zulegen sollte. Aber ich fand, dass ich eigentlich nichts getan oder erlebt hatte, was erinnerungswürdig genug war. Ganz im Gegensatz zu Justine – sie hatte gleich zwei dicke Alben im Scrapbook-Stil, die überquollen vor Tickets, Skipässen, Urkunden und Auszeichnungen.
»Zugegeben, das ist eigentlich ein lahmes Hobby, aber Spaß macht es trotzdem«, fuhr Paige fort. »In meinem Scrapbook habe ich die üblichen Sachen – Kinotickets, Geburtstagskarten, Einträge von meinen Freunden. Aber Z hat da einen radikal anderen Ansatz.«
Auf der ersten Seite befand sich eine Collage aus Fotos, die Zara selbst zeigten. Das hatte Justine ähnlich gemacht, obwohl auf ihren Fotos auch andere Personen zu sehen gewesen waren. Doch ab der zweiten Seite wurde klar, dass Zara tatsächlich eine ungewöhnliche Vorstellung davon hatte, wofür Scrapbooking gut war.
»Wow, das ist eine Menge Haar.«
»Xavier Cooper«, sagte Paige. »Und er hatte zwar eine ziemliche Mähne, aber so extrem sieht es nur aus, weil das Foto nun mal riesig ist.«
»Wieso hat sie es so groß abziehen lassen?« Das Porträt füllte die ganze Seite und machte mich irgendwie nervös. Es sah fast aus, als würde Xaviers Kopf leibhaftig hier in Paiges Schoß liegen.
»Weil, meine liebe Vanessa, dieser Junge die Ehre hatte, mit Zara Marchand auszugehen. Wenn du so nah an wahre Größe herangekommen bist und sie vielleicht sogar für kurze Zeit dein Eigen nennen konntest, dann hat dein Gesicht eine volle Seite verdient.«
»Wow.«
»Allerdings. Xavier und Zara
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