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Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Erwartung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
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meinem Schädel wurde mit jedem Schritt schlimmer.
    Wir stoppten kurz bei dem Wagen und schauten durch die Fenster. Das Innere war blitzsauber und ordentlich, bis auf den Beifahrersitz, auf dem sich Kleidung, Schminkzeug und leere Wasserflaschen türmten. Am Rückspiegel baumelte ein kristallener Parfümflakon. Ein Atlas mit der Karte von Maine lag auf dem Armaturenbrett.
    Ich blieb an der Beifahrertür stehen, als Simon in den Wald hineinging. Mit geschlossenen Augen stellte ich mir Justine vor. Ich sah ihre blauen Augen vor mir, ihr Lächeln,ihr Haar. Ich konzentrierte mich darauf, ihre Stimme zu hören. Falls sie sich von irgendwo meldete, konnten wir ihren Anweisungen oder wenigstens der Richtung folgen, aus der Justine zu sprechen schien.
    Aber sie blieb stumm. Die einzigen Geräusche um mich herum waren zwitschernde Vögel, vorbeifahrende Autos, Simons raschelnde Schritte im Unterholz … und der pulsende Rhythmus in meinem Kopf. Er schien lauter und schneller zu werden, als ich in den Wald eindrang.
    »Das ist doch bescheuert«, sagte Simon zehn Minuten später. »Hier ist nirgendwo ein Weg. Woher wollen wir überhaupt wissen, dass die beiden noch im Wald sind? Wir laufen nur im Kreis, und sie könnten schon wieder weg sein.«
    Ich blieb stehen. »Simon.«
    Er schaute sich um, dann folgte er meinem Blick zu einem abgestorbenen Baum, der ein paar Meter entfernt stand. Zerfressen von Alter, Feuer oder Krankheit, sah er aus wie ein Skelett, das sich aus dem welken Laub erhob. Von einem seiner langen grauen, blattlosen Äste hing ein rostroter Kapuzenpulli.
    Bei dem Baum angekommen, hob Simon einen Ärmel hoch, um mir das Bates-Logo darauf zu zeigen.
    »Die Blätter sind zertreten«, stellte er fest, und sein Blick folgte der Spur, die vom Fuße des schmalen Stammes in den Wald verlief. »Man kann sehen, wo die beiden weitergegangen sind.«
    Er fiel in einen Laufschritt, und ich lief ihm nach. Ein brennender Schmerz ließ mich beide Hände gegen die Stirn pressen, was mich gleichzeitig erleichterte und in Panik versetzte. Während wir rannten, schaute Simon ab und zu über die Schulter, um sicherzugehen, dass mit mir alles in Ordnung war. Bald war der Schmerz so unerträglich, dassdie weißen tanzenden Lichtflecken vor meinen Augen mich fast blind machten, aber ich ließ Simon nichts davon merken.
    Bis sie lachte.
    Ich fiel auf die Knie und krümmte mich zusammen, bis sich mein Oberkörper gegen die Schenkel presste. Mit geschlossenen Augen krallte ich mich in den Boden, bohrte die Finger in tote Blätter und kalte Erde. Bisher hatte ich Zara noch nie lachen gehört, und der Klang war mit nichts zu vergleichen, was ich kannte. Als würde ein langer hoher Ton auf ein Glasprisma treffen und es in eine Million schriller Klangscherben zersplittern lassen – manche Noten kurz, andere lang, manche laut, andere leise –, die in allen möglichen Winkeln durch die Luft wirbelten, bis jedes andere Geräusch davon erstickt wurde.
    Gleichzeitig fühlte es sich an, als würde in meinem Schädel eine Granate explodieren.
    Ich hielt den Kopf gesenkt und konzentrierte mich aufs Atmen. Sie lachte nicht noch einmal, und nach ein paar Minuten war der Schmerz erträglich genug, damit ich den Oberkörper heben und weiterkriechen konnte. »Simon.«
    Meine vorherige Nervosität verwandelte sich in eiskalten Schrecken. Was immer er durch die Bäume sah, war so schlimm, dass er meinen Sturz nicht einmal bemerkt hatte. Ich kam auf die Füße und schleppte mich so schnell und leise wie ich konnte zu Simon. Er drehte sich nicht um – nicht einmal, als ich direkt neben ihm stand.
    Ich trat noch näher und schaute durch die Bäume.
    Zara. Sie trug einen weißen Rock, der von der Brise hochgehoben wurde und um ihre Beine tanzte, dazu ein passendes weißes Top. Ihre Füße waren nackt. Das Outfit hatte so wenig Ähnlichkeit mit dem schwarzen Minirock, dem hautengen schwarzen Oberteil und den Stilettoschuhen,in denen ich Zara zuvor gesehen hatte, dass ich fast erleichtert war. Serienkiller trugen kein unschuldiges Weiß an dem Tag, wenn sie ihr nächstes Opfer ins Jenseits befördern wollten, oder?
    »So wunderschön.«
    Mein Kopf fuhr ruckartig zu Simon herum. Er starrte noch immer gebannt auf Zara, als sei sie ein makelloses, durchscheinendes Pendel, das hypnotisch vor ihm hin- und herschwang.
    »Sie ist doch wunderschön … nicht wahr?«
    Ich wandte mich mit glühenden Wangen ab. Hatte er in diesem Moment nichts anderes im Kopf? Er

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