Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
Simon, als Calebs Stimme verräterisch schwankte. »Dazu kommen wir später.«
»Also, sie stand eines Tages einfach da«, fuhr Caleb fort. »Ich war gerade dabei, Kisten in den Laden mit der Bootsausrüstung zu karren, da hat sie mich angehalten. Ihre Mutter hatte sie geschickt, um eine Nachricht zu einem der Lighthouse -Eigentümer zu bringen. Nämlich zu Carsons.«
Paul Carsons, das erste Todesopfer nach Justine.
»Und ganz ehrlich, ich wollte sie einfach ignorieren. Am liebsten wäre ich ohne ein Wort weitergegangen und hätte sie genauso behandelt, wie sie es ständig mit irgendwelchen Leuten in der Schule gemacht hatte.« Er schaute aus dem Fenster. »Im Nachhinein wünsche ich wirklich, ich hätte es getan.«
Ich warf einen Blick auf Simon. Er war ganz auf Caleb konzentriert.
»Du hast also mit ihr gesprochen?«, fragte er.
»Ja. Im Lighthouse dreht sich alles ums Geld. Die Investoren wollen expandieren, bis sie das größte und edelste Urlaubs-Resort an der ganzen Küste haben.«
»Und das bedeutet, man muss die Kunden bei Laune halten?«, vermutete Simon.
»Genau. Die Mitarbeiter sind dazu angehalten, unter allen Umständen höflich und hilfsbereit zu sein, damit sich die Gäste willkommen und wichtig fühlen. Darum konnte ich nicht einfach an Zara vorbeimarschieren. Falls es sich herumgesprochen hätte, dass ich unfreundlich war – selbst zu einem Nichtmitglied, denn schließlich könnte jeder eines Tages Mitglied werden –, dann hätte man mich gefeuert. Und ich brauchte den Job.«
Ich fing Simons Blick auf und wusste, dass wir uns beide dasselbe fragten: Wieso?
»Also jedenfalls versuchte ich, Carsons für sie zu finden. Ich bin mit ihr durch das gesamte Gelände gelaufen und habe ihr dabei von allem erzählt, was das Lighthouse zu bietenhat, so wie wir es mit jedem tun, der zum ersten Mal in das Resort kommt.«
»Klingt anstrengend.«
»Weniger, als ich befürchtet hatte. Zuerst war sie ungeduldig, aber je länger wir herumgingen und je mehr ich ihr erzählte, desto freundlicher wurde sie. Sie hat Fragen gestellt und zugehört. Sie hat sogar über die lahmen, einstudierten Witze gelacht, die sonst nie ein Gast komisch findet.« Er nippte an seinem Tee. »Carsons haben wir nicht gefunden, aber am Ende schien sie auch ganz vergessen zu haben, warum sie eigentlich da war. Und dann …« Er starrte in die Tasse, die in seinen Händen zu zittern begann.
»Dann?«, fragte Simon.
»Und dann hat sie mich gefragt, ob sie mich zu einem Getränk einladen kann.« Caleb schloss die Augen. »Auf dem Pier am Rand des Lighthouse Resorts.«
»Du meinst, sofort?«
Caleb nickte. »Keine Ahnung, warum ich ja gesagt habe. Schließlich hatte ich zu arbeiten, und sie war immer noch Zara. Sie rumzuführen war keine komplette Katastrophe gewesen, trotzdem hatte ich nicht vergessen, mit wem ich es zu tun hatte.«
»Sie hat dich einfach überrumpelt«, sagte Simon. »Das wäre jedem so gegangen.«
»Das war das Dümmste, was ich in meinem ganzen Leben getan habe.«
»Es ging doch nur um ein Getränk.«
»Nein, eben nicht. Wir saßen am Ende des Piers und teilten uns eine Flasche Champagner, die mich wahrscheinlich einen ganzen Wochenlohn gekostet hätte … und ich hatte Spaß. Sie war amüsant. Mir gefiel es, mit ihr zu reden. Wir sind drei Stunden lang dortgeblieben.«
Justine hatte sich nicht mehr gemeldet, seit ich Caleb indem Pick-up-Truck bei Springfield gefunden hatte. Es gab meinem Herzen einen Stich, wie er jetzt von Zara sprach, und ich fragte mich, ob Justine ihn hören konnte.
»Am Ende meinte sie, wie schade es sei, dass wir uns nicht schon früher einmal richtig unterhalten hätten. Ihr tat es leid um die viele verschwendete Zeit. Aber sie war froh, dass noch genug vor uns lag, um es zu genießen.« Caleb schüttelte den Kopf. »Ich habe ihr nichts von Justine erzählt. Erst Stunden später ist mir überhaupt der Gedanke gekommen, dass ich meine feste Freundin hätte erwähnen sollen. Dabei war Justine sonst das Einzige, an das ich dachte. Ist sie immer noch.«
Ich hatte ihn die ganze Zeit angeschaut, doch nun musste ich den Kopf abwenden, als die erste Träne über seine Wange lief.
»Ich konnte es ja nicht wissen, versteht ihr? Ich wusste nicht, was danach passieren würde. Warum konnte es nicht anders laufen, warum habe ich keinen Weg gefunden, um …«
Simon wartete, bis Calebs gequälte Atemzüge wieder normaler klangen, bevor er fragte: »Und wie ist es
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