Ocean Rose Trilogie Bd. 3 - Erfüllung
sie kann das Restaurant nicht im Stich lassen.« Ich holte tief Luft und blinzelte gegen die Tränen an. »Und was ist mit Charlotte?«
»Sie hatte sowieso nicht geplant, länger zu bleiben«, erwiderte Dad. »Das weißt du doch.«
Ich ließ den Kopf hängen. Jetzt tropften die Tränen in meinen Schoß, aber ich merkte es kaum.
»Was Simon betrifft«, sagte Mom sanft – und erriet damit, was ich wirklich dachte und fürchtete –, »bin ich sicher, dass er Verständnis haben wird.«
»Kann er auch in den Ferien mitkommen?«, fragte ich.
Mom zögerte. »Ich bin nicht sicher, ob das eine gute Idee ist. Ihr beide hättet euch auf jeden Fall demnächst voneinander verabschieden müssen. Vielleicht wird es auf diese Weise einfacher.«
Damit lag sie falsch. Mich von Simon zu trennen, und sei es nur für einen Tag, würde auf jeden Fall unerträglich sein.
Aber das konnte ich meinen Eltern nicht erklären. Mir fehlten die richtigen Worte, und sie hätten mich sowieso nicht verstanden. Natürlich würde ich ihnen leidtun, und sie hätten ein schlechtes Gewissen, aber umstimmen könnte ich sie damit nicht.
Es gab nur ein einziges Argument, das vielleicht wirken würde.
»Was ist mit Justine?«, flüsterte ich.
Dad lehnte sich ruckartig zurück. Mom stieß ein kaum hörbares Keuchen aus.
Ich sah meine Schwester vor mir, ihr ansteckendes Grinsen und ihre vor Aufregung glitzernden blauen Augen. Fast konnte ich mir vorstellen, dass sie versteckt im Nachbarraum saß und mir durch einen unsichtbaren Funkempfänger in meinem Ohr den Text vorsagte, den ich jetzt brauchte. Vermutlich hätte ich ein schlechtes Gewissen haben sollen, weil ich meine Eltern anschwindeln wollte, aber erstens enthielten die Worte auch einen Teil Wahrheit, und zweitens wusste ich, dass Justine mich hundertprozentig unterstützt hätte.
»Ich vermisse sie«, sagte ich.
Mom sprang auf, eilte um den Couchtisch und hockte sich zu mir auf die Armlehne. »Natürlich. Wir alle vermissen sie.«
»Und ich finde … ach, ich weiß auch nicht … in Winter Harbor fühle ich mich ihr so nahe. Vielleicht weil wir unsere letzte gemeinsame Zeit hier verbracht haben? Natürlich ergibt das nicht viel Sinn, aber …«
»Doch, tut es.« Mom legte mir den Arm um die Schultern und gab mir einen Kuss auf den Scheitel.
Ich holte tief Luft. »Deshalb würde mir das Wegziehen furchtbar schwerfallen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, den Sommer an einem Ort zu verbringen, wo ich nie mit Justine zusammen war. Wir sind schließlich in den Ferien nie woanders gewesen. Unser altes Haus zu verkaufen und in den Bungalow zu ziehen war noch okay, aber Winter Harbor ganz zu verlassen … das würde sich einfach falsch anfühlen.«
Mom zog mich an sich, so dass mein Kopf an ihrer Brust lehnte. Da ich noch immer Tränen in den Augen hatte, konnte ich Dads Gesichtsausdruck nicht erkennen, als er sich wortlos mit Mom verständigte, doch es hätte mich nicht überrascht, wäre er ebenfalls den Tränen nahe gewesen.
Einen Moment später seufzte Mom und sagte: »Nun ja, wir müssen ja nicht gleich mit dem Packen anfangen. Am besten schläfst du dich erst mal aus, und dann reden wir morgen genauer über alles.«
Ich nickte schniefend. Nachdem Mom mich noch einmal gedrückt hatte, stand sie auf und gesellte sich wieder zu Dad aufs Sofa. Ich wischte mir mit dem Jeansärmel über die Augen, wünschte ihnen eine gute Nacht und wollte aus dem Zimmer gehen.
»Ach, noch etwas, Schatz«, rief Mom mir hinterher, als ich gerade den Durchgang zum Flur erreicht hatte.
Ich blieb stehen und drehte mich um.
»Wir möchten, dass du deinen Job im Fischerhaus kündigst.«
»Aber …«
»Darüber gibt es keine Diskussion. Wir können dich nicht ständig spätabends alleine herumfahren lassen. Wenn du Geld brauchst, kannst du es von uns bekommen.« Sie wandte sich im Sitzen ganz zu mir um und warf mir über den Sofarücken einen Kuss zu. »Gute Nacht!«
Ich wollte schon protestieren, aber überlegte es mir anders. Im Vergleich zu der Idee, aus Winter Harbor wegzuziehen, war das ein harmloser und verständlicher Wunsch. Ich wollte mein Glück nicht strapazieren.
In meinem Zimmer holte ich mir zwei Salzwasserflaschen aus dem Kühlschrank im Bad und begann zu trinken. Gleichzeitig rief ich bei Simon an. Er nahm gleich beim ersten Klingelzeichen ab.
»Wollen wir morgen einen Ausflug machen?«, fragte ich, bevor er mich ins Kreuzverhör nehmen konnte, wo ich gesteckt hatte und ob es
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