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Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Verwandlung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
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trifft das zu. Aber der Stammbaum deiner Mutter – und damit auch dein eigener – ist außergewöhnlich.« An dem letzten Wort verschluckte sie sich fast.
    »Was meinen Sie damit?«
    Sie stand auf, ging an das offene Fenster und atmete tief ein. »Ihr stammt von einem kleinen Sirenenclan ab, der seinen Hauptsitz in Nordkanada hat und Nenuphar genannt wird.«
    Nenuphar. An diesen Namen erinnerte ich mich aus Rainas Scrapbook.
    »Und was macht diese … Nenuphars so besonders?«, fragte ich vorsichtig.
    Sie wandte sich mir zu und lehnte sich an die Wand. »Für die Sirenen eines Clans gibt es zwei Möglichkeiten, ihre kollektive Macht zu vergrößern. Über die erste haben wir schon geredet: Sie benutzen ihre Fähigkeiten, damit Männer sich in sie verlieben. Die zweite Strategie ist, diese magisch erzeugten Gefühle in die Geburt von Kindern zu investieren.«
    »Das heißt, je mehr Männer eine Gruppe hypnotisieren kann und je mehr Babys daraus entstehen, desto stärker wird der Clan?«
    »Ganz genau. Die Nenuphars haben mehrere Jahrhunderte lang mit beidem Erfolg gehabt, obwohl sie gegen eine ungünstige geographische Lage mit geringen Ressourcen zu kämpfen hatten. Soweit wir wissen, hat keine andere Gruppe unter ähnlich harschen Bedingungen überlebt. In Skandinavien gibt es einen winzigen Clan mit ähnlicher Geschichte, aber der ist gute zweihundertfünfzig Jahre jünger.«
    Ich bemühte mich, ihren Worten einen Sinn zu geben. »Also bin ich das Ergebnis einer ziemlich schrägen natürlichen Selektion?«
    »So kann man es ausdrücken«, sagte Willa. »Die wachsenden Kräfte der Nenuphars wurden weitervererbt, und jede Generation war mächtiger als die zuvor.«
    »Okay, und was hat das mit Charlotte und meinem Vater zu tun?«
    Sie schritt durch den Raum und setzte sich zu mir auf die Couch. »Gegen eine Sirene vom Nenuphar-Clan gibt es keine Verteidigung. Wenn sie sich auf einen Mann konzentriert, der bereits verliebt ist, kann er vielleicht eine Weile widerstehen, aber am Ende gewinnt sie doch. Gegen solche Macht ist jeder wehrlos.«
    Plötzlich tauchte in meinem Kopf ein Erinnerungsbild auf. »Die Sirenen von Winter Harbor – sie haben Männer nicht nur verliebt gemacht, sondern umgebracht. Vor ein paar Monaten, bevor der Hafen zufror, hatten sie sich auf dem Meeresgrund versammelt und Dutzende unter Wasser gelockt, um sie zu töten.« Willa verzog keine Miene, während ich sprach. Ich würde die Frage, die ich beantwortet haben wollte, ganz direkt stellen müssen. »Sie haben gesagt, dass die Nenuphars ›trotz geringer Ressourcen erfolgreich waren‹. Soll das nur heißen, dass sie genügend Männer umgarnt haben? Oder haben sie ihre Opfer umgebracht?«
    »Bis zum heutigen Tag«, sagte sie mit weiterhin ausdrucksloser Miene, »haben die Nenuphars 13 412 Männer getötet. Dabei hatte der Clan zu keiner Zeit mehr als elf Mitglieder.«
    »Sorry«, krächzte ich, »haben Sie vielleicht … Ich glaube, mir wird …«
    Willa sprang auf und lief aus dem Zimmer. Gleich darauf kehrte sie mit einer Karaffe voll blaugrüner Flüssigkeit und einem Glas zurück. Ich musste drei Gläser leeren, bis ich meine Stimme wiederfand. Doch die Worte waren dadurch nicht leichter auszusprechen.
    »Haben Sie auch …?«, setzte ich an. »Sind Sie …«
    »… eine Mörderin?«, vollendete sie den Satz. Sie wartete auf mein Nicken, dachte kurz über ihre Antwort nach und sagte dann: »Nein. Ich habe alles in meiner Macht Stehende getan, um nicht so zu werden.«
    Ich füllte mir noch ein Glas voll. Meine Hände zitterten so sehr, dass Algenwasser aus der Karaffe auf den Tisch schwappte.
    »Mir ist klar, wie schwer das alles für dich zu verarbeiten ist. Und es tut mir leid, dass du so lange auf die Wahrheit warten musstest.« Willa streckte eine Hand aus, als wolle sie mir eine Haarsträhne aus der Stirn streichen, doch dann entschied sie sich anders und ließ die Hand wieder in den Schoß sinken. »Jedenfalls ist das der Grund, warum Charlotte und dein Vater so gehandelt haben. Keiner von beiden hatte eine Wahl.«
    Ich stürzte das Wasser hinunter, bevor ich meine nächsten Fragen stellte. »Wieso hat sie ihn am Leben gelassen? Wieso ist sie ein Jahr später aus Winter Harbor weggezogen – und hat mich fortgegeben, als mein Vater sie aufspürte?«
    »Trotz ihrer zweifelhaften Gründe, eine Beziehung mit deinem Vater einzugehen, hegte Charlotte echte Gefühle für ihn. Sie brachte es nicht über sich, das zu tun, was von ihr

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