Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)
prüfte sie das Thermometer, dann setzte sie sich auf die Bettkante und drückte einen kalten Umschlag auf Paiges Stirn. Sie machte keine Anstalten, das Zimmer zu verlassen, und da Paige nicht protestierte, nahm ich an, dass ihr die Gelegenheit ganz recht war, alle meine Neuigkeiten zu verarbeiten.
Nach zehn Minuten gab ich auf, verabschiedete mich und sagte Paige, dass ich wieder bei ihr reinschauen würde, wenn ich zurück war.
Ich lief in mein Zimmer, wo ich alles bereitgelegt hatte, was ich für den Abend brauchte. Zuvor hatte ich Moms Vorrat an Designerklamotten durchgeschaut und mir einen engen schwarzen Minirock aus Satin, ein seidiges rotes Top und schwarze High Heels ausgesucht. Bei den Accessoires hatte ich gespart und nur nach einer schlichten Nylonstumpfhose und einem Paar rubinroter Ohrringe gegriffen. Das Outfit komplettierte ich mit einem taillierten Sommermantel aus schwarzer Seide.
Als ich fertig angezogen war, zog ich mein Zopfgummi heraus und bürstete mein Haar, bis es mir glatt über den Rücken fiel. Ich legte Make-up, Rouge, Lippenstift und Mascara auf – wovon ich mir am Nachmittag einen Vorrat im Drogeriemarkt gekauft hatte – und sprühte mir Parfum mit Vanille- und Nelkenduft auf Hals und Handgelenke.
Gar nicht schlecht , dachte ich und betrachtete das fremde Mädchen im Spiegel. Es hatte nichts mit mir zu tun, aber genau das hatte ich schließlich erreichen wollen. Ich schnappte mir mein bereitliegendes Handy und die Handtasche vom Bett, lauschte an der Tür, ob auch niemand im Flur war, und spurtete nach unten.
»Vanessa?«, rief Dad aus seinem Büro, als ich durchs Wohnzimmer hastete. »Bist du das? Kannst du bitte kurz herkommen, ich möchte …«
»Hab ’ne Verabredung, bis später!«
Draußen lief ich im gleichen Tempo die Eingangstreppe hinunter und auf dem Bürgersteig weiter. In den Pumps war ich ziemlich wackelig auf den Beinen, aber ich war so aufgeregt, dass ich mir kaum Sorgen machte, ob ich hinfallen und mir die Knochen brechen würde. Nachdem ich diesen Abend tagelang geplant hatte, wollte ich ihn jetzt nur schnell hinter mich bringen.
»Hallo, schöne Lady!«
Ich blieb stehen, nur mein Herz raste weiter. Parker wartete unter dem Eingangsbaldachin vom Il Cappuccino , einem italienischen Restaurant, das auf seiner Website mit Gourmetspeisen und dem romantischsten Ambiente von Boston warb. Er hatte sich für den Anlass in Schale geworfen und trug eine schwarze Hose, ein weißes Hemd mit schwarzer Weste und eine gestreifte Krawatte. Über dem Arm hielt er einen schwarzen Wollmantel. Das Haar war lässig zurückgekämmt, als wäre er nach der Dusche kurz mit den Fingern hindurchgefahren und hätte es so trocknen lassen.
Alles halb so wild – ihr seid nur zwei Freunde, die miteinander essen gehen … Bestimmt wäre es nicht viel anders mit Caleb oder Paige oder …
Er gab mir einen Kuss auf die Wange. Die Berührung war so hauchzart, dass ich sie für Einbildung gehalten hätte, wären mir nicht sofort die Knie weich geworden. Ich griff nach seiner Hand, um das Gleichgewicht zu halten.
»Das war eine wunderbare Idee«, sagte er. »Ich bin froh, dass du es vorgeschlagen hast.«
»Ja, ich auch.« Ich versuchte zu lächeln, doch als ich ihn ansah, wurde mir wieder ganz schwummerig.
Im Restaurant lehnte ich das Angebot der Empfangsdame ab, meinen Mantel aufzuhängen, da ich so angezogen wie möglich bleiben wollte. Während ich ihr durch den Raum folgte, der überall romantische Nischen mit dämmriger Beleuchtung hatte, versuchte ich mich angestrengt an alles zu erinnern, was Willa mir über das Aussenden von Signalen erzählt hatte. Ich hatte nicht erwähnt, was ich mit Parker vorhatte – erstens, weil ich nicht wusste, ob sie damit einverstanden sein würde, und zweitens, weil es mir peinlich war –, aber sie hatte mir genug allgemeine Informationen über Sirenen gegeben, mit denen ich arbeiten konnte.
Ich wusste, dass ich mich entspannen sollte. Je verkrampfter ich war, desto schwächer würden meine Verführungskräfte werden. Im Gespräch sollte ich ein Gleichgewicht anstreben und ihn genug reden lassen, um Interesse zu signalisieren, während ich selbst möglichst oft sprechen sollte, um ihn mit meiner Stimme einzulullen. Nach einer Weile sollte ich ihn in diesem entspannten Zustand berühren. Die Geste konnte unauffällig sein – es reichte aus, über seine Hand zu streichen oder mich auf seinen Arm zu stützen, wenn wir das Restaurant verließen. Die
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