Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)
muss schon etwas Besonderes sein, wenn du ihretwegen selbst das bisschen Naturwissenschaft vergisst, das man sogar mir eintrichtern konnte.«
Er nahm mich noch fester in die Arme, und ich lehnte den Kopf an seine Schulter.
Das fühlte sich so gut und so richtig an.
Wenn es doch bloß niemals enden würde.
»Nächstes Wochenende hat Caleb Geburtstag«, sagte Simon eine Weile später.
»Ja, stimmt.« Ich war dankbar für den Themenwechsel. »Sein großer Moment. Siebzehn Jahre und schon fast erwachsen. Ist er aufgeregt?«
»War er eigentlich nicht. Er wollte bloß ein paar Freunde zu einer Pizza und einem DVD-Abend einladen, aber dann legte Captain Monty los und hatte ganz andere Ideen. Tja, und wenn Monty sich etwas in den Kopf setzt …«
»… lässt sich Caleb natürlich anstecken.«
»Genau, und deshalb gibt es nun am Samstagabend eine Bootsparty, bei der die halbe Stadt mitmacht. Monty ist schon dabei, die Barbara Ann zu schmücken, Calebs Freunde verkabeln ihre Fischerboote, um Musikanlagen und Lichterketten zu installieren, und dann wird wohl die ganze Nacht von einem Deck zum nächsten getanzt.«
»Sie haben die Boote freibekommen?«, fragte ich und schaute zu ihm hoch. Ich hatte seit gestern Morgen nicht mehr auf die Website des Winter Harbor Herald geschaut. »Heißt das …?«
»Nein, so war das nicht gemeint.« Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »An manchen Stellen kann man sich mit Ruderbooten bewegen, aber die größeren Schiffe sitzen noch immer im Eis fest. Monty wollte sie trotzdem in die Geburtstagsfeier einbeziehen, weil Caleb nun einmal ganz verrückt nach Booten ist.«
Ich ließ den Kopf wieder auf seine Schulter sinken, legte die Hand auf seine Brust und spürte seinen beschleunigten Herzschlag.
»Also … ich will dich nicht überrumpeln, aber hättest du Lust mitzukommen? Nach Winter Harbor? Zu Calebs Party?«
Ich öffnete schon den Mund, um ja zu sagen. Simon klang wegen der Feier auf dem Wasser nervös, und ich wollte ihn unterstützen und in seiner Nähe sein. Doch die Antwort blieb mir im Hals stecken.
»Er würde sich wahnsinnig freuen, dich zu sehen«, fuhr Simon fort. »Meine Eltern übrigens auch. Aber wenn es noch zu früh für dich ist, verstehe ich das total. Vergiss den Vorschlag.«
»Nein.«
»Nein? Du meinst, du kommst doch mit?«
Meine Augen füllten sich mit Tränen, die ich hastig wegblinzelte. Ich richtete mich auf, so dass seine Arme von mir abglitten. Dann versuchte ich, ihm ins Gesicht zu schauen, brachte es aber nicht über mich.
»Nein … ich kann nicht zu Calebs Party.«
»Du kannst nicht. Okay. Hast du schon was anderes vor?«
Jetzt war der Moment gekommen. Ich musste ihm alles erzählen. Ihn anzulügen war schlimm genug. Ich konnte nicht auch noch seine Familie in meine Schwindeleien hineinziehen.
»Simon.« Erneut traten mir Tränen in die Augen. »Ich muss dir etwas sagen.«
Er legte mir eine Hand aufs Knie. »Alles, Vanessa. Egal, was es ist.«
Meinte er das ernst?
Gleich würde ich es wohl herausfinden, ob ich wollte oder nicht. Ich atmete tief durch. »Kannst du dich erinnern …«
Weiter kam ich nicht, denn der Wagen ruckte. Sofort schlang Simon die Arme wieder schützend um meine Taille. Spitze Schreie erfüllten die Luft, als die Pferde von einem langsamen Bummelschritt in vollen Galopp übergingen.
»Die wilde Jagd von Sleepy Hollow?«, rief ich ungläubig über das Gekreische und das Donnern der Hufe hinweg. So lautete der Slogan auf einem schwarzen Banner, das zwischen zwei Bäume gespannt war. Wir preschten unter ihm hindurch in den finsteren Wald.
»Ich glaube, wir sind gerade entführt worden!«, rief Simon grinsend zurück.
Ich klammerte mich an ihn, um nicht vom Wagen zu fallen, und schaute in die Richtung, in die er mit einem Nicken wies. Bei unserer Abfahrt hatte vorn auf dem Kutschbock ein ältlicher Farmer in Holzfällerhemd und Latzhose gesessen. Entweder hatte er während der Fahrt das Kostüm gewechselt, ohne dass es uns aufgefallen war – oder der kopflose Reiter von Sleepy Hollow hatte die Zügel übernommen.
»Vanessa!«, schrie Paige.
Unsere Blicke trafen sich, und wir brachen beide in lautes Gelächter aus. Riley wurde auf ihrem Schoß durchgeschüttelt, hatte die Augen zugekniffen und klammerte sich an ihren Schultern fest. Paige hatte die Arme um seine Taille gelegt. Während der Wagen über Stock und Stein holperte, griffen von den Bäumen aus Festivalhelfer in Hexen- und Zombiekostümen an.
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