Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)
Büro stärker zu werden – besonders das vom Computerbildschirm.
Verdammt, der Bildschirm! Er hätte im Energiesparmodus und dunkel sein sollen.
Der alte Türknauf aus Messing drehte sich, die Tür begann sich zu öffnen.
Ich machte einen Satz durch den Raum, schnappte mir eine Handvoll Kabel und zog. Der Computer gab ein Jaulen von sich und verstummte.
»Vanessa?«
»Hi, Dad.«
Er stand in der Türöffnung, hatte seinen Laptop unter einen Arm geklemmt und ein Stück Kuchen in der anderen Hand.
»Ich wollte dir gerade Kaffee und einen Pulli bringen.« Zum Beweis hielt ich beides hoch. Da es sich um seinen Lieblingspullover handelte, hatte ich tatsächlich einen glaubhaften Grund, hier im Büro zu sein. »Möchtest du Milch dazu?«
Er schaute auf die Tasse, mit der ich wedelte. »Wirklich? Du wolltest mir das nach draußen bringen?«
Ich zögerte. »Ja?«
»Hm.« Er lächelte und trat ins Zimmer. »Also dann, vielen Dank, du hast gerade meinen Tag perfekt gemacht.«
Kein Wunder. Ich war auf Distanz gegangen, seitdem ich ihn in Rainas Scrapbook gesehen hatte, und er hatte meine abweisende Haltung natürlich bemerkt, auch wenn er den Grund nicht kannte. Hätte ich mein Angebot ehrlich gemeint, wäre das seit Monaten das erste Mal gewesen, dass ich mich Dad gegenüber wieder wie früher benahm.
»Bitte sehr.« Ich ließ zu, dass er mich im Vorübergehen auf die Wange küsste. Je entgegenkommender ich mich benahm, desto schneller konnte ich das Büro verlassen.
»Das ist ja merkwürdig.«
Ich hatte schon einen Fuß über die Türschwelle gesetzt, doch jetzt drehte ich mich langsam wieder um. Mein Gesicht nahm die gleiche Farbe an wie Dads Lieblingspullover. »Stimmt was nicht?«
Er saß über das Keyboard gelehnt am Schreibtisch, tippte ein paar Buchstaben, wartete und tippte erneut. Dann klopfte er oben auf den Monitor, und als das nichts half, nahm er ihn hoch und schüttelte ihn vorsichtig. »Ich weiß genau, dass ich ihn nicht ausgestellt habe. Gab es einen Stromausfall, während ich draußen war?«
Er stand auf und kratzte sich am Kopf. In diesem Moment sah er so verwirrt aus und war so typisch mein Big Papa – der bei jeder neuen Technologie und jedem neuen Slangwort seiner Studenten erst einmal ratlos guckte –, dass ich wegen meiner Schnüffelei ein furchtbar schlechtes Gewissen bekam.
»Ach, das ist also passiert!« Schnell ging ich zurück ins Büro und hob die Kabel auf. »Ich bin über die hier gestolpert, als ich deinen Pulli holen wollte. Anscheinend habe ich damit den Computer zum Absturz gebracht. Tut mir echt leid.«
Seine Miene entspannte sich. »Schon okay.«
Ich stöpselte die Kabel wieder ein und hastete auf die Tür zu.
»Vanessa?«
Ich erstarrte mitten in der Bewegung. Er wusste Bescheid. Als ich den Computer so brutal vom Netz getrennt hatte, war ich davon ausgegangen, dass damit alles gelöscht wäre und Dad nie erfahren würde, dass ich sein Passwort herausgefunden hatte und bis zu den Dateien auf seinem Desktop vorgedrungen war. Aber der Trick hatte nicht funktioniert. Und jetzt wusste Dad Bescheid. Er wusste, dass ich Charlottes Namen …
»Möchtest du vielleicht mit mir Kaffee trinken? Das wäre schön.«
»Klar, Dad«, brachte ich hervor, ohne mich umzudrehen, »bin gleich wieder da.«
Ich zog die Tür hinter mir zu und lief in die Küche, die jetzt leer war. Dort steckte ich die benutzte Tasse in den Geschirrspüler und füllte zwei neue mit Kaffee und Milch. Ich nahm ein großes Stück Kuchen vom Brownieblech, wickelte eine Serviette darum und holte zwei Gabeln aus der Schublade.
Dann nahm ich alles und ging nach oben, wo Paige auf mich wartete.
K APITEL 6
B eim Aufwachen am nächsten Morgen hatte ich Kopfschmerzen. Ich schluckte drei Aspirin, trank mindestens einen Liter Wasser und legte mich eine Stunde in die Wanne. Nichts half. Die Kopfschmerzen verschwanden selbst am Wochenende nicht, als ich mit Paige wieder zum Bates College fuhr. Vermutlich war der ganze Stress daran schuld. Die Sache mit Dad, die Schule und Simon waren einfach zu viel. Bei diesem Besuch wollte ich Simon endlich die Wahrheit sagen, und bestimmt würde es mir danach körperlich bessergehen, aber das war ein schlechter Trost.
»Okay, erzähl mir von diesem sagenhaften Festival«, bat Paige. Sie und Riley gingen ein paar Schritte vor uns her, während wir über den Campus schlenderten. »Gibt es Losbuden und Wettspiele?«
»Mit bombastischen Preisen«, beteuerte Riley. »Nicht zu
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