Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)
gewartet, obwohl ich dir das unbedingt wieder einmal sagen wollte. Du brauchst mir nicht auf gleiche Weise zu antworten … Aber könntest du meine Worte einfach eine Weile stehenlassen, ohne sie automatisch kaputtzureden?«
Ich wollte gar nichts kaputtreden. Wie gerne hätte ich ihm geantwortet, dass ich ihn mehr liebte, als ich jemals zu hoffen gewagt hatte. Ich wollte mit ihm an einen Ort verschwinden, wo uns niemand finden konnte, und für den Rest meines Lebens nichts weiter tun, als mit ihm zu lachen und zu reden und ihn tagelang zu küssen. Aber das war nicht möglich. Denn seine Gefühle für mich waren nur eine Illusion – sie waren nicht echt. Und Simon bedeutete mir so viel, dass ich ihm nicht erlauben konnte, sein Leben für eine Illusion wegzuwerfen.
»Eigentlich wollte ich am Wochenende noch etwas anderes mit dir besprechen, bevor du deinen Besuch abgesagt hast«, erklärte Simon.
Ich schaute von unseren verschränkten Fingern hoch. Ohne die Brille wirkten seine braunen Augen noch dunkler und wärmer.
»Die Universität in Boston ist in den Naturwissenschaften ganz hervorragend.«
Ich wusste nicht genau, was ich erwartet hatte, aber dieses Thema jedenfalls nicht. »Okay …?«
»Die Professoren haben einen exzellenten Ruf, und die Forschungsergebnisse sind beeindruckend.«
Er klang wie bei meinem Besuch in Bates, als er mir eine Campusführung vorgespielt hatte. »Soll das heißen, ich soll mich an der Uni Boston bewerben?«
»Nur, wenn du möchtest.« Er schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: »Ich habe es jedenfalls schon getan.«
Er drückte noch einmal meine Hand und ließ sie dann los. Aus seiner Ledertasche zog er eine rote Mappe und legte sie an die Stelle, wo eben noch die Titelseite des Winter Harbor Herald aufgeschlagen gewesen war. Simon blätterte durch Broschüren und bunte Infozettel, bis er zu einem weißen Formular kam.
»Das ist ein Antrag für einen Universitätswechsel.« Er betrachtete mich erwartungsvoll. »Ich habe ihn fertig ausgefüllt.«
Der Schweiß auf meiner Stirn begann mir wie Tränen über die Wangen zu laufen und hinterließ salzige Spuren. Meine Haut unter der Kleidung wurde immer heißer und feuchter, während meine Kehle sich zuschnürte. »Aber du liebst das Unileben am Bates College!« Ich versuchte, energisch zu klingen, brachte jedoch nur ein leises Flüstern heraus.
»Ich liebe dich. « Er beugte sich vor und griff wieder nach meinen Händen, die begonnen hatten, wie von selbst aus seiner Reichweite zu rutschen. »Ich war noch nie so glücklich wie in den Momenten, wenn wir beide zusammen sind. Die ganze Zeit muss ich an dich denken, und wenn du nicht da bist, kann ich mich kaum konzentrieren, weil ich dich ganz furchtbar vermisse. Letzte Woche habe ich eine wichtige Klausur in den Sand gesetzt, weil ich sie einfach vergessen hatte. So etwas ist mir noch nie passiert.«
»Also willst du an die Uni Boston wechseln, damit dein Notendurchschnitt nicht leidet?«, versuchte ich zu scherzen. Eine bessere Reaktion fiel mir nicht ein.
»Ich will nach Boston ziehen, damit ich dich treffen kann, dich von der Schule abholen, dich jedes Wochenende sehen, ohne dass einer von uns erst hundertfünfzig Meilen mit dem Auto fahren muss. Ich will einfach mit dir zusammen sein, so oft wie möglich und so lange wie möglich. Nach allem, was im Sommer passiert ist … Das Leben ist zu kostbar, als dass man auch nur eine Sekunde davon verschwenden darf. Man muss sein Glück festhalten, wenn man kann. Und ich kann! Indem ich nach Boston ziehe.«
Was wäre, wenn …, schien es durch meinen Kopf zu hallen. Was wäre, wenn seine Gefühle echt wären. Was wäre, wenn ich ein normales Leben hätte und wir unsere Zukunft planen könnten wie jedes andere glückliche junge Paar.
Was wäre, wenn …
»Schon klar, das musst du erst mal verarbeiten«, fuhr er fort, als ich nicht antwortete. »Wahrscheinlich kommt dieser Vorschlag für dich wie aus heiterem Himmel. Tut mir leid, dass ich dich so überrumpelt habe. Du weißt, dass ich nichts tun würde, was du nicht möchtest.«
Ich nickte und blinzelte mir die Tränen aus den Augen.
»Du musst mir auch nicht gleich eine klare Antwort geben – aber vielleicht einen Hinweis? Nur einen winzigen, harmlosen Hinweis, wie du darüber denkst?«
Nun liefen mir die Tränen in Strömen über die Wangen, und als ich sie fortzuwischen versuchte, kamen die nächsten umso schneller nach. Da ich seinem hoffnungsvollen Blick nicht begegnen
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