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Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres

Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres

Titel: Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro Baricco
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leiser Stimme:
    »Ich verdanke dir mein Leben.«
    »Ein Leben«, stellte Adams klar. Dann öffnete er die Augen erneut und richtete sie direkt in die von Langlais. Dieser Blick war nicht der Blick eines Gärtners. Es war der Blick eines jagenden Tieres.
    »Mein Leben bedeutet mir nichts. Es geht mir um ein anderes Leben, das ich haben will.«
    Was dieser Satz zu bedeuten hatte, verstand Langlais erst sehr viel später, als es nämlich schon zu spät war, nicht darauf einzugehen. 
     
    Ein Gärtner steht regungslos vor dem Schreibtisch eines Admirals. Bücher und Papiere überall. Aber ordentlich. Ordentlich. Und Leuchter, Teppiche, Ledergeruch, dunkle Gemälde, braune Vorhänge, Landkarten, Waffen, Münzen, Porträts. Silber. Der Admiral reicht dem Gärtner ein Blatt Papier und sagt:
    »Pension Almayer. Am Meer, in der Nähe von Quartel.«
    »Dort ist er?«
    »Ja.«
    Der Gärtner faltet das Blatt Papier, steckt es in die Tasche und sagt:
    »Ich fahre heute abend.«
    Der Admiral senkt die Augen und hört dabei, wie die Stimme des anderen sagt:
    »Leben Sie wohl.«
    Der Gärtner geht auf die Tür zu. Ohne ihn anzuschauen, flüstert der Admiral:
    »Und dann? Was wird danach passieren?«
    Der Gärtner bleibt stehen.
    »Nichts mehr.«
    Und geht hinaus.
    Der Admiral schweigt. 
     
    … während Langlais in Gedanken der Route eines Schiffes folgte, das in den Gewässern von Malagar buchstäblich weggeflogen war, beschloß Adams, bei einer Borneorose stehenzubleiben, um ein Insekt zu beobachten, das sich immer wieder abmühte, eine Blüte hinaufzukriechen, bis es schließlich aufgab und fortflog; darin dem Schiff ähnlich und gleichgesinnt, das der gleiche Instinkt die Gewässer von Malagar hinaufgeführt hatte. Brüder beide in der eindeutigen Absage an die Wirklichkeit und in der Wahl der luftigen Flucht, waren sie in dem Augenblick dadurch geeint, daß sie gleichzeitig Bilder in den Augen und in der Erinnerung zweier Männer waren, die nichts mehr hätte trennen können und die gerade diesen beiden Flügen, dem des Insekts und dem des Schiffes, beide im gleichen Moment ihr Entsetzen anvertrauten angesichts der bitteren Ahnung eines Endes und der bestürzenden Erkenntnis, wie still das Schicksal sein kann, wenn es sich plötzlich entlädt.

8
     
    Im ersten Stock der Pension Almayer, in einem Zimmer mit Blick auf die Hügel, kämpfte Elisewin mit der Nacht. Reglos unter ihren Decken liegend, wartete sie darauf herauszufinden, was schneller kommen würde, der Schlaf oder die Angst.
    Das Meer klang wie eine fortwährende Lawine, wie Donner eines unaufhörlichen Gewitters, wer weiß welchen Himmels Kind. Es hörte nicht eine Sekunde lang auf. Es kannte keine Müdigkeit. Und keine Gnade.
    Wenn man es anschaut, merkt man es nicht: wieviel Lärm es macht. Aber im Finstern … All das Unendliche ist nur noch Getöse, Mauer aus Lärm, quälendes und blindes Gebrüll. Man kann es nicht abschalten, das Meer, wenn es brennt, des Nachts.
    Elisewin spürte, wie eine leere Luftblase in ihrem Kopf zerplatzte. Diese heimliche Explosion, der unsichtbare, unerzählbare Schmerz, war ihr wohl vertraut. Aber ihn zu kennen nützte nichts. Gar nichts. Das heimtückische, schleichende Übel holte sie ein – schamloser Stiefvater, der sich holte, was ihm zustand.
    Es war nicht so sehr die Kälte, die sie von innen her durchdrang, auch nicht das wie verrückt klopfende Herz oder der Schweiß, der ihr überall eiskalt ausbrach, oder das Zittern ihrer Hände. Das Schlimmste war das Gefühl, dahinzuschwinden, den eigenen Kopf zu verlassen, nur noch aus unbestimmter Panik zu bestehen und aus Zukkungen der Angst. Gedanken wie Ansätze einer Rebellion – Schauer – das Gesicht zur Fratze verzerrt, um es fertigzubringen, die Augen geschlossen zu halten – um es fertigzubringen, die Dunkelheit nicht sehen zu müssen, Grausen ohne Ausweg. Welch ein Kampf!
    Elisewin brachte es fertig, an die Tür zu denken, die, nur wenige Meter von ihr entfernt, ihr Zimmer mit dem von Pater Pluche verband. Wenige Meter nur. Sie mußte es schaffen. Sie würde jetzt aufstehen, und ohne die Augen zu öffnen würde sie die Tür finden, und dann würde allein schon Pater Pluches Stimme genügen, nur seine Stimme, und alles wäre vorbei – sie müßte nur aufstehen, die Kraft für ein paar Schritte finden, das Zimmer durchqueren, die Tür öffnen – aufstehen, unter der Bettdecke hervorkriechen, sich an der Wand entlangtasten – aufstehen, auf die Beine kommen, die

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