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Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres

Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres

Titel: Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro Baricco
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keine Wahl hatte.
    »Ganz wie Sie wollen«, sagte er und senkte seinen Blick auf das Schachbrett. Er brauchte nicht lange, um festzustellen, daß der Bandit zwar wahnsinnig, aber erbarmungslos gerissen wahnsinnig war. Nicht nur, daß er die weißen Figuren für sich selbst vorbehalten hatte – es wäre wohl auch albern gewesen, das Gegenteil zu verlangen –, aber er spielte mit einer zweiten Königin, die er sorgfältig auf den Platz des rechten Läufers gestellt hatte. Eine skurrile Variante.
    »Ein König«, erklärte der Bandit, auf sich selbst zeigend, »und zwei Königinnen«, fügte er höhnisch hinzu und zeigte auf die beiden wahrhaft wunderschönen Frauen, die ihm zur Seite saßen. Dieser witzige Einfall sorgte bei den Anwesenden für ungehemmtes Gelächter und zügelloses Freudengeschrei. Nicht ganz so vergnügt blickte Langlais zu Boden und dachte, daß er im Begriff war, auf die dümmste Art und Weise, die man sich denken konnte, zu sterben.
    Der erste Zug des Banditen stellte vollkommene Stille her. Bauer des Königs zwei Felder vor. Langlais war an der Reihe. Er zögerte etwas. Es war, als warte er auf etwas, wußte aber nicht, worauf. Erst als er im Geheimen seines Kopfes eine Stimme hörte, begriff er. Die Stimme sagte mit wunderbarer Gelassenheit:
    »Springer in die Reihe des Läufers vom König.« Diesmal schaute er sich nicht um. Die Stimme kannte er. Und er wußte auch, daß sie nicht anwesend war. Sie kam, weiß Gott wie, aus weiter Ferne. Er griff nach dem Springer und setzte ihn vor den Läufer des Königs. Beim sechsten Zug war er schon um eine Figur im Vorteil. Beim achten rochierte er. Beim elften war er Herr der Schachbrettmitte. Zwei Züge später opferte er einen Läufer, was beim nächsten Zug zur Folge hatte, daß er die gegnerische Königin gewann. Die zweite schaltete er mit einer Kombination aus, derer er – darüber war er sich klar – niemals fähig gewesen wäre ohne die rechtzeitige Ansage der irrwitzigen Stimme. Je mehr der Widerstand der weißen Figuren erlahmte, um so mehr wuchsen in dem Banditen, das spürte er, Wut und wilde Ratlosigkeit. Es kam so weit, daß er sich davor fürchtete zu gewinnen. Doch die Stimme ließ ihm keinen Ausweg.
    Beim dreiundzwanzigsten Zug verschenkte der Bandit einen Turm durch einen dermaßen offenkundigen Fehler, daß es so aussah, als wolle er aufgeben. Langlais war im Begriff, sich den Fehler automatisch zunutze zu machen, als er die Stimme hörte, die ihm in eindringlichem Ton zuflüsterte:
    »Aufpassen, Admiral, der König.«
    Auf den König aufpassen? Langlais hielt inne. Der weiße König stand auf einer völlig ungefährlichen Position hinter den Überresten einer verpfuschten Rochade. Aufpassen, auf was denn bloß? Er blickte auf das Schachbrett und begriff nicht.
    Aufpassen, der König.
    Die Stimme schwieg.
    Alles schwieg.
    Wenige Augenblicke nur.
    Dann begriff Langlais. Es war wie ein Blitz, der ihm durchs Hirn fuhr, einen Augenblick nur, bevor der Bandit aus dem Nichts ein Messer zog, dessen Klinge blitzschnell auf sein Herz zu stieß. Langlais war schneller als er. Er packte seinen Arm, konnte ihm das Messer entwinden, und wie um die Handbewegung, die jener begonnen hatte, zu beenden, schnitt er ihm die Kehle durch. Der Bandit stürzte zu Boden. Die beiden entsetzten Frauen flüchteten. Die anderen waren alle wie versteinert vor Staunen. Langlais bewahrte die Ruhe. Mit einer Geste, die er später ohne zu zögern als unnötig feierlich bezeichnen sollte, nahm er den weißen König und legte ihn flach auf das Schachbrett. Dann stand er auf, wobei er das Messer fest in der Faust hielt, und entfernte sich langsam von dem Schachbrett. Niemand regte sich. Er stieg auf das erste Pferd, das ihm über den Weg lief, warf einen letzten Blick auf die seltsame Szene, die aus dem Volkstheater hätte stammen können, und machte sich aus dem Staub. Wie es des öfteren in den entscheidenden Augenblicken des Lebens geschieht, war er erstaunlicherweise nur eines einzigen, völlig unbedeutenden Gedankens fähig: Es war das erste Mal – das erste –, daß er mit schwarzen Figuren eine Schachpartie gewann. Als er zu seinem Palast kam, fand er Adams ohne Bewußtsein und vom Hirnfieber geschüttelt im Bett liegend vor. Die Ärzte wußten nicht, was sie tun sollten. Er sagte:
    »Tun Sie nichts. Gar nichts.«
    Nach vier Tagen kam Adams zu sich. Langlais wachte an seinem Lager. Sie schauten sich an. Adams schloß erneut die Augen. Und Langlais sagte mit

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